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Das Lied vom braven Mann,   Das Mädel, das ich meine,   Der Bauer. An seinen durchl. T

Der Bruder Graurock und die Pilgerin,   Der große Mann,   Der Kaiser und der Abt

Der kluge Held,   Der Raubgraf,   Der wilde Jäger,   Des Pfarrers Tochter von Taubenhain

Des Schäfers Liebeswerbung,   Die beiden Liebenden,   Die Entführung,   Die Kuh

Die Weiber von Weinsberg,   Frau Schnips,   Herr Bacchus,   Hummellied

Lenardo und Blandine,   Lenore,   Liebeszauber,   Macbeth,   Männerkeuschheit

Mollys Wert,   Münchhausen,   Prinzessin Europa,   Spinnerlied,   Trost

     Die links verweisen auf die linke Navigationsleiste, dort sind die zugehörigen Werke anwählbar

Lenore

Beiträge im Zeitraum


bis 1800

1801-1810     

1811-1820     

1821-1830

1831-1840    

1841-1850    

1851-1860

1861-1870    

1871-1880    

1881-1890     

1891-1900     

1901-1910    

1911-1920     

1921-1930

1931-1940    

ab 1941

Weitere Parodien

Begriffe & Literatur
 

Um eine gewisse Übersicht über die im verschiedensten Zusammenhang verwendeten Lenore-Zitate (hier als Parodien bezeichnet) zu geben, sind sie nach Jahrzehnten geordnet:

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1931-1940     ab 1941

1891-1900

 

Bürgers "Lenore" schneidig verkürzt. In: Freie Stimmen aus Kärnten, 1. August 1891

Lenore träumt viel,
Weil Wilhelm mobil.
Krieg aus,
Einzug zu Haus!
Wilhelm bleibt weg;
Lenorens Schreck!
Der Lieutenant todt,
Lenore in Noth.
Mutter erschrickt,
Lenore verrückt.
Um Mitternacht
Kommt Wilhelm sacht,
Holt auf dem Rapp'
Lenore ab;
Reiter schnell,
Fix zur Stell'!
Aber bald
Bette kalt;
Morgenroth -
Lenore todt!

       das Original

 

 

Locales. In: Berliner Börsen-Zeitung, Morgen-Ausgabe 22.4.1891

Der Endvers sprach von der Zeit, da sie nicht mehr spielen und singen werde, da sie die Bretter, welche die Welt bedeuten, mit den sechs Brettern und zwei Brettchen vertauscht habe. Auf ihren Stein, so schloß das Couplet, solle man dann setzen:
  Hier ruht die Stolle,
  In jeder Rolle
  Entflammte sie ganz lichterloh
  Und alle ebenso.
Das war nicht zu viel gesagt.

 

 

Deutscher Reichstag. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Morgen-Ausgabe 19.12.1891

Abg. Liebermann v. Sonnenberg (wilder Antisemit) führt aus, daß die Minderheit hier im Hause die Mehrheit im Lande hinter sich habe. Die Durchdringung der Vorlage erinnere an Bürgers Leonore, an Hurrah! Hurrah! Hop ! Hop! Hop ! aber die Todten reiten schnell. Um uns die Freundschaft von Oesterreich und Italien zu bewahren, bedürfe es nicht solcher Verträge.

 

 

Versammlungen. In: Vorwärts : Berliner Volksblatt ; das Abendblatt der Hauptstadt Deutschlands 25.6.1891

“Der sozialdemokratische Wahlverein für den zweiten Wahlkreis [...]. Referent bespricht dann noch die Brandenburger Polizeiverordnung, wonach kein Gastwirth seinen Saal mit rothen Fahnen ausschmücken darf, und empfiehlt der Polizei, die rothe Farbe abzuschaffen, das rothe Blut abzuziehen, dem Regenbogen zu befehlen nur noch 6 Farben zu zeigen, den Damen die Schamröthe zu untersagen, in Bürger's ‘Lenore’ anstatt Lenore fuhr ums Morgenroth empor aus schweren Träumen, zu setzen: Lenore fuhr um die Frühstückszeit u.s.w., u.s.w.”

 

 

Classisches aus den Bädern. In: Der Floh, 26. Juni 1892

lenore_franzensbad_1893


Lenore fuhr um's Morgenroth empor aus s c h w e r e n Träumen;
Frau Mayer verfolgt’ sie aus “Alt-Wien” und rieth ihr, nicht zu säumen.

 

Pniower fuhr ums Morgenroth. In: Berliner Tageblatt, 18. Januar 1892

Pniower fuhr ums Morgenroth
Empor aus schweren Träumen:
"Der alte Pröhle — welche Noth!
Er thät' den Zug versäumen!"
Doch außen, horch! ging's trab, trab, trab,
In einer Droschke fuhr er ab,
Die Boste hat gerufen
An des Geländes Stufen.

Wie flog, was rund der Mond beschien,
Wie flog das in die Ferne!
Wie flogen oben überhin
Der Himmel und die Sterne!
Bald Kirchhof hier, bald Kirchhof da,
Die Todten hörte man ganz nah,
Es kamen durch die Pforte
Vornehmlich ihre Worte:

 

 

"Wie mag's doch jetzt dem Pröhle gehn?
Er war stets mein Verehrer,"
Sprach Müllenhoff. — "Wie mag er stehn
Mit Erich Schmidt?" sprach Scherer. *)
"Lebt Pröhle noch?" frug Julian Schmidt.
Die Eule rief: "Komm mit! Komm mit!"
Des Kutschers Herz mit Beben
Rang zwischen Lob und Leben.

Nach Steglitz auf ein Gitterthor
Ging's mit verhängtem Zügel.
Am Hofthor fuhr die Droschke vor,
Wo offen stand der Riegel.
Hoch bäumte sich das Rößlein vorn,
Er aber dämpfte seinen Zorn:
"Des Fahrgelds bist Du ledig!
N e u n M a r k! Gott sei Dir gnädig!"

*) Müllenhoff, Scherer, Schmidt ruhen auf dem Matthäikirchhof bei Schöneberg, an dem die Fahrt vorüberging.

 

 

Im neuen Kurs in Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 9.1892

neuen kurs 1892

   „Rapp, Rapp, mich dünkt, der Hahn schon ruft,  
   Bald wird der Sand verrinnen, —
   Rapp, Rapp! Ich witt're Morgenluft,
   Rapp, tummle dich von hinnen.

   „Rasch auf ein eisern Gitterthor
   Ging's mit verhängtem Zügel.
   Mit schwanker Gert' ein Schlag davor
   Zersprengte Schloß und Riegel.

   „Ha sieh, ha sieh! im Augenblick,
   Huhu, ein gräßlich Wunder!
   Des Reiters Koller Stück für Stück
   Fiel ab wie mürber Zunder!"

                       (Bürger.)
 

 

Der reuige Wilhelm! in Hamburger Anzeiger 15. Januar 1892

hamburger anzeiger 15 january 1892

   Der Wilhelm fuhr um's Morgenroth,
   Empor aus seinen Kissen!
   Er hat im Traum vor Angst geschwitzt
   Und vor Gewissensbissen!
   Erschienen war ihm die Marie
   Und rief: "Du läßt mich sitzen?
   Ich stürze in die Alster mich!
   Mir kann nichts weiter nützen!" - -
   "Die kriegt das fertig", brummte er,
   "Ich mach mich auf die Beine
   Und kaufe reuig Hochzeits-Staat
   In bill'ger "Goldner Neune!" -"

 

 

 

 

 

 

 

AURILLAC in: Le Petit Journal, 16 janvier 1892

La plupart des communes de notre département sont visitées par l'influenza. La maladie a néanmoins un caractére relativement bénin. Les morts vont vite cependant. Hier matin mourait M. Delche, receveur de l'hospice et du bureau de bienfaisance. Rien ne faisait prévoir un dénouement fatal aussi brusque.

 

 

L'Èvénement, 5 septembre 1892

     HORS PARIS
 Le congrès de dermatologie s'ouvrira lundi prochain, à Vienne, malgré l'opposition du docteur Schiff et de quelques autres membres qui demandaient le renvoi à une date ultérieure, à cause du choléra. La circonstance, cependant, déconseillait les délais et les lenteurs : les morts vont vite !

 

 

A Cyclist's Funeral. In: Waterford Mirror and Tramore Visitor, 19 May 1892

A well-known cyclist recently expired, but not before he expressed the wish that his obsequies should be exclusively velocipedic in their character. His desire was accordingly loyally carried out. His coffin was placed on a tricycle preceded by a courtege of cyclists playing a funeral march on bugles, while the eight children of the deceased followed their father's remains on a tandem. As a contemporary remarks, if the example is contagious, one will be able tp say with more truth than ever that 'the dead travel fast.' We deem it right to add, for our own protection, that the story is an American one. 
 

 

[ein Werk des italienischen Bildhauers Monteverde] In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Abend-Ausgabe 5.8. 1892

Es fällt mir dabei unwillkürlich ein Todtentanz neueren Datums ein, wo ein Blatt die Behandlung des nämlichen Stoffes und dazu den vom Gerippe gesprochenen Vers giebt:
  Ein guter Bissen, da braucht's Gemalt!
  Ein junger Leib wird lang' nicht kalt.
Der Unbarmherzige hat ein Mädchen an die Hüfte gefaßt und sucht sie in gewaltsamem Ringen niederzudrücken zwischen „sechs Bretter und zwei Brettchen".

 

 

Busche, Franz von. Können Frauen Schrullen haben? In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Montags-Ausgabe 29.8.1892

„Welche Bilder aus Kindertagen beschwören Sie herauf!" ruft der Lieutenant. „Ich kannte einen alten Herrn, der maß jeden Weg danach, wie oft er während des Gehens Bürgers Lenore deklamiren konnte, und erzählte dann ganz ernsthaft, der und der Weg beträgt so und so viel Lenoren; dabei hielt er es gewissermaßen für seine Pflicht, genau unterrichtet zu sein, und wenn irgend ein neuer Weg ein paar Stunden im Umkreise angelegt ward, schritt er ihn gewissenhaft ab, ferner noch behauptend, er werde auch im stärkste» Regen nicht naß."
  „Bewies man ihm denn nicht das Gegentheil?"
  „Er ließ sich eben nichts beweisen, er hatte einmal die Schrulle man lachte darüber und ließ ihn dabei."

 

 

Prager Wochenrevue. In: Montags-Revue aus Böhmen 10.10.1892

Täglich profitiren wir mehr von der gräflichen Kunst, früher als andere Menschen ans Ziel zu kommen, und immer erbaulicher enthült sich uns die alte Weißheit des Dichters, wie man das Leben vertrinkt, verspielt und verraucht und wie man es dreimal vergeudet. Ueber den verschiedenen gräflichen Großthaten, in deren Enthüllung sich die Zeitungen nicht genug thun können, schweben als einheitliches Motto die Dichterworte: „Und hurre, hurre, hop, hop, hop, gings fort in sausendem Gallop"— ein Bürger hat bekanntlich diese Verse gesungen, und auf die Gefahr hin, als unritterlich verschrieen zu werden, halten wir es lieber mit dem singenden Bürger als mit dem springenden Grafen. In der Ballade macht sich dergleichen wunderschön, aber in der Wirklichkeit macht das „hurre, hurre, hop, hop, hop" — ob es von Wien nach Berlin, ob es von Wien bis zum Grabe geht— einen peinlichen Eindruck, den man vielleicht nur im Taumel der Erregung und der aufgestachelten Neugier einen Moment lang vergessen kann.

 

 

Die Rantzau. In: Der Floh, 15. Jänner 1893

„Schön Lola" fuhr um's Morgenroth
Empor aus ihrem Schlummer,
Sie "beethet" schnell ein Stoßgebet,
Denn täglich wird sie frummer.

„Geschwind die Zeitung bringt mir her.
Muß lesen die Kritiken!"
Doch ihren Namen konnte sie
In keiner, ach, erblicken.

In keiner einz'gen stand, daß sie
Wär' mehr am Platz gewesen —
Daß die R e n a r d ganz wundervoll,
Nur das, ach, konnt' sie lesen.

Der „Willy" hatte diesmal doch —
Es sagen's Alle offen —
Als er „D i e R a n t z a u" so besetzt,
Das Richtige getroffen.

Er nahm den Tactstock selbst zur Hand,
Das Werk zu dirigiren,
Zu jenen Feldherr'n zählt er ja,
Die keine Schlacht verlieren.

D'rum ward's ein glänzender Erfolg,
Die Künstler nirgend wanken,
Es kann bei ihnen und Herrn J a h n
M a s c a g n i sich bedanken.

„Schön Lola" ab die Thränen wischt
Von ihren Rosenwangen
Und zürnt: „Nach M ä n n e r s c h w ü r e n hab'
Ich niemals mehr Verlangen!"

 

 


 

Auch eine Leonore. In: Lothar Meggendorfers humoristische Blätter 15. 1893

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Le Siècle, 4 octobre 1893

Clemenceau publie un article dans lequel il répète : « En avant ! En avant ! » comme dans la ballade de Bürger : Les morts vont vite.
  En avant ! En avant ! Mais où ? Toute la question est là.

 

 

L'Événement, 29 janvier 1893

Les morts vont vite – et les vivants aussi! Par ce temps de circulation électrique, le vélocipède est le cheval du pauvre.
      Edmond Magnier

 

 

All along the River von Miss M. E. Brandon. In: The Newcastle Weekly Chronicle, February 11, 1893

Yes, and then the dream changed - the dreamer's wandering thoughts directed by another reminiscence of those girlish studies in German poetry.
She was Lenore, and she was in the arms of her dead lover. She felt that bony arm - Death's arm - clutching her round the waist, her streaming hair unugled with the streaming inane of that unearthly horse. She was with Lostwithiel – in his arms – and they were both dead and both happy – happy in being together. What did they want more than that?
    “Vollbracht, vollbracht, ist unser Lauf!
      Das Hochzeitbette thut sich auf!
    Die Todten reiten schnelle!
      Wir sind, wir sind, zur Stelle.”

      der vollständige Beitrag   

 

 

Berliner Kunstausstellung. In: Berliner Börsen-Zeitung, Morgen-Ausgabe 4.6.1893

Auch die Reliefs für das Elberfelder Denkmal, der Auszug der Krieger wie die Heimkehr der Sieger sind wohlgelungen. Das letztere Relief erinnert mit der Darstellung des Jubels, in dem sich verstohlen die Thränen der Verwaisten mischen, an Bürgers Leonore: „Gottlob", rief Kind und Gattin laut, „Willkommen"! manche junge Braut, ach, aber für Lenoren war Gruß und Kuß verloren!

 

 

Vermischtes. In: Norddeutsche allgemeine Zeitung, Morgen-Ausgabe 22.12.1893

* Kaum hat Graf Hartenau, der frühere Bulgarenfürst, die Augen geschlossen, so ist er auch schon durch einen "mit Dampf" arbeitenden Autor zum Helden eines Romans erkoren worden. Soeben bringen nämlich ein Frankfurter und ein Offenbacher Blatt einen Roman "Graf Hartenau", in dessen Mittelpunkt der Held von Slivnica steht. — Die Todten reiten schnell, aber die "Dichter" noch schneller.

 

 

Heine's Lied vom Fichtenbaum von Ferdinand Delcliseur. In: Das ist ausgezeichnet! Hunoristikum, Hg. Clemens Grün, 1894

Heine.
(Originalstrophe.)

Ein Fichtenbaum stand einsam
Im Norden auf kahler Höh'!
Ihn schläfert. - Mit weißer Decke
Umhüllen ihn Eis und Schnee. -

Er träumt von einer Palme,
Die fern im Morgenland
Einsam, schweigend trauert -
Auf brennender Felsenwand.

   B ü r g e r

Eine Palme fuhr ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen.
Bist untreu Fichte oder todt? -
Wie lange willst du säumen?
Ein Fichtenbaum. auf kahler Höh'
Im Norden, möcht hundert Meilen
Gern heissa, hurrah, hopp, hopp, hopp,
Zu ihr ins Brautbett eilen!

     der vollständige Text
 

 

Demonstration. In: Der Floh,, 8. Juli 1894

Im Krankenhaus, im neunten Hof,
Da geht es lustig zu,
Da hat der arme Patient
Schon Morgens keine Ruh'.

      der vollständige Text

 

 

"Eini!". In: Neues Wiener Journal, 8. September 1894

Wiener Lied mit Chor, Text von J. Eisenkolb, Musik von Anton Werner.

Ob der Wiener jetzt im Theater sitzt,
 Oder wo in ein' Concert,
 Ob er a Tänz'rin hupfen siecht,
 A Säng'rin singen hört;
 Oder red't wo a Gemeinderath,
 Spricht wer im Parlament,
 So sagt er nicht, wie der Franzos':
 „O, der is excellent!"
              R e f r a i n:
 Er sagt blos zu an Zweiten,
 Und der versteht 'n schon:
 „Du, Freunderl, d e r k a n e i n i,
 Das is a Passion!"

 In einem vollen Tramwaywag'n
 San eh' schon fünfzig Leut',
 Da kommt der Anundfufzigste,
 Der sucht nöt lang ein' Streit:
 An stoßt er mit 'm Ellbog'n h'nein,
 Den Andern taucht er weg,
 Und bumsdi! Eh' si dö erhol'n,
 Steht er schon aus sein' Fleck.
               R e f r a i n:
 Die Andern aber lachen
 Und sag'n blos voll Hamur:
 „Jetzt k a n n d e r a n o e i n i,
 Da g'hört do 'was dazua!"

 Das Fräulein L e o n o r e geht,
 Schon vorgerückt an Jahr'n,
 Im Stadtpark drinn' und is heut' stark
 Ums M o r g e n r o t h schon g'fahr'n, '
 Denn Rouge liegt fingerdick im G'sicht,
 Mit 'm Reismehl hat S' nöt g'spart,
 Mit einem Wort, ins Retouchir'n
 Da is sie ganz vernarrt.
              R e f r a i n:
 Das siecht a echter Weaner
 Und sagt zum zweiten flink:
 „Hörst, Bruader, d ö k a n e i n i
 In 'n Tögel mit der Schmink'!"

 Es engagirt sich ein' Cassier
 Ein G'schäftsmann aufm Grab'n,
 Der schon im zweiten Monat will
 Salair-Erhöhung hab'n.
 Der Chef deut' auf die Eiserne
 Und sagt: „I kann nöt h'nein!"
 Der Herr Cassier, ein Defraudant,
 Bricht in die Cassa ein.
             R e f r a i n.
 In der Früh liegt drinn' a Zettel,'
 Wo deutli g'schrieb'n drauf steht:
 „Sie sehen, i k a n n e i n i,
 Und Sö — Sö können's nöt!"

 

 

Humor im Redaktionsbriefkasten in Tiroler Volksbote, 19 July 1894

Frage: „In Bürgers „Leonore" steht: „Die Todten reiten schnell!"
   Können denn die Todten reiten?"
Antwort: „Weshalb nicht? Wenn sie es vorher gelernt haben."

 

 

Feuilleton. Warum der Wohledle und Gestrenge Herr Bürgermeister von Dompenau das Reiten aufgab! In: Badener Bezirksblatt 1.12.1894

Da rief plötzlich in dem Tumult mitten aus dem Haufen eine krähende Stimme— der blaue Julius sollte es gewesen sein - :„Unser Herr Bürgermeister lebe hoch!" Und „Hoch, hoch, hoch!" schallte es von der entfesselten Rotte herüber. Das war aber nicht nur dem Gestrengen , sondern sogar seinem Schimmel zuviel. „Hurre, hurre, hopsasa! Fort giengs in sausendem Galopp, daß Roß und Reiter schnoben, und Kies und Funken stoben." Die verwaisten Schützenbrüder mußten nun ohne ihren Commandanten dem Festplatz zumarschieren.

 

 

Vorwärts : Berliner Volksblatt ; das Abendblatt der Hauptstadt Deutschlands 13.10.1894

Im Frankreich des Herrn Casimir Perier regnet es Preßprozesse. Die„Petite Republique" ist wieder einmal angeklagt — diesmal wegen Beschimpfung der Richter. Die Todten reiten schnell.

 

 

Adlerberg, Franz von. Aus dem Lande der Kangienisen. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Montags-Ausgabe 5.3.1894

I n s L a n d d e r T s c h u k t s c h e n u n d J a k u t e n! — Das Gruseln, das beim Aussprechen dieser Völkernamen so manches bange Herz überkommen wird, hoffe ich pflichtschuldigst überwinden zu helfen durch den Hinweis, daß es dort noch keine Jungtschuktschen und Jungjakuten giebt, und daß ihre Repräsentanten es in der Civilisation noch nicht so weit gebracht, daß sie sich in Kammern und Parlamenten die Röcke ausziehen, um besser raufen zu können, oder, einander für Teufel haltend, sich Tintengläser an die Köpfe werfen und unparlamentarische Redensarten nur so aus dem Ärmel schütteln. — Graut Liebchen noch vor Tschuktschen?

 

 

Pietsch, Ludwig. Kriegsfahrten. In: Badische Presse : Generalanzeiger der Residenz Karlsruhe und des Großherzogtums Baden, Abendzeitung 9.8.1894

Man wußte es bereits: etwa drei bis vier Meilen weiter westlich, bei Sulz, hatten die Unseren den Feind gefaßt und erreicht, und nicht nur ein Gefecht wie bei Weißenburg, sondern eine große Schlacht war entbrannt. Und ich sollte wieder nicht dabei sein! Ich ging den Zug wohl auf und ab, wie die arme Lenore das heimkehrende Heer, und richtete dringende Bitten an Etappenkommandant, Bahnbeamte und aus den Wagenfenstern herausschauende Offiziere, mich mit einsteigen zu lassen. Ueberall dieselbe Antwort. „Zivilisten haben hier nichts zu suchen, zurück da!"

 

 

Lenore (frei nach Bürger). In: Beiblatt der Fliegenden Blätter 103. 1895

lenore_buegeleisen_1895

    Lenore fuhr ums Morgenroth      
    Hervor aus ihren Betten:          
    Hurrah! jetzt kann ich ohne Noth   
    Für Wilhelm Hemden plätten!      

    Ich frag die Leute auf und ab,
    Ich frug in allen Läden,
    Bis man mir ein Plätteisen gab,
    Frei von den frühern Schäden.

    Das früh're Plättzeug hat mich genirt
    Durch Hitze an Arm und Fingern;
    Jetzt aber plätt ich isolirt!!
    Fort mit den alten Dingern!

    Und hurre, hurre, hopp, hopp, hopp,
    Plätt ich an manchen Tagen
    Seitdem in sausendem Galopp
    Weit über hundert Kragen!

    Wüßt ich nur blos, wo Wilhelm bleibt?
    's ist doch ein säum'ger Wandrer!
    Na! seit ich dies Plätteisen hab,
    Nimmt mich auch gern ein Andrer!

 

 

Das Lied vom Friebeis. In: Der Floh, 18. August 1895

Held F r i e b e i s fuhr ums Morgenroth
Empor aus schweren Träumen
Und sprach: O, Herr von K i e l m a n n s e g g,
Wie lange willst Du säumen?

Die Leute kommen all zu mir,
Den Wahltermin erfragen,
Du hast es Ihnen eingeschärft,
Ich hätte da viel zu sagen.

Zu groß wird jetzt die Plage mir,
Erlöst mich, Excellenzen!
Und saget mir den Wahltermin,
Mich ärgert schon das "P e n z e n".

Ihr führt mich ins Rathhaus ein
Und gabt mir meine Würde,
Nun überlaßt Ihr mich der Pein,
Dem Drucke meiner Bürde.

Erhört mich, Ihr Minister all,
Mein Leiden ist notorisch;
Ihr werdet es tganz gut versteh'n,
Seid gleichfalls p o v i s o r i s c h.

 

 



 

Soldaten-Briefsteller in Neues Wiener Tagblatt 21. August 1895

Wir sehen denn auch die verschiedenen Episteln eingetheilt in Abschnitte, wie: Brief nach dem Einrücken in die Garnison; Ein Soldat wünscht von seiner Mutter Wäsche; Bitte um Geld. Letzteres Thema wird dann variirt: anderer Brief, weiterer Brief um Geld; dringende und wiederholte Bitte um Geld - man sieht, wie Montecuecoli Recht hatte, daß zum Kriegführen Geld, Geld und
 wiederum Geld gehöre. Dann kommen Briefe über eigene Gesundheit und das Befinden der Kameraden. Wer denkt da
 nicht an Leonorens Klage iiber Wilhelm: .
     »Er hatte nicht geschrieben,
     Ob er gesund geblieben.«
Hätte Wilhelm den Soldaten-Briefsteller mitgenommen »in die Prager Schlacht«, wer weiß, ob Leonoren das von Bürger besungene Malheur passirt wäre.

 

 

Le Petit Moniteur universel, 25 juin 1895

La Comédie-Française ouvre de plus en plus sa porte aux jeunes.
Après les Faux-Bonshommes en reprendra Julie, d'Octave Feuillet.
Rappelons que, d'autre part, l'Odéon reprendra le Roman d'un jeune homme pauvre.
Et on dit que les morts vont vite!

 

 

les morts vont vite (Die Todten reiten schnell) in Le Journal, 2 janvier 1895 (RETRONEWS der BnF)

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                     Erläuterung

 

By the way. In: Globe, 18. Juni 1895

A correspondent calls our attention to the following curious advertisement which appeared in yesterday's "Daily Graphic": -
  DOCTOR'S SON, lately deceased, requires temporary engagement in a school: age 22 : would travel abroad.
Persons with little time to spare on their journeys abroad might find him a congenial companion, for "the dead travel fast," but at a school we can't help thinking that his engagement would be decidedly "temporary."

 

 

Reisebriefe. In: Local-Anzeiger der "Presse". 8.10.1895

Paul fuhr wie Leonore ums Morgenroth aus süßen Träumen empor, raffte, in der Meinung, daß bereits die donnernden Eljenrufe der Budapester an sein Ohr klängen, kunterbunt seine Habseligkeiten zusammen und stürzte in den Corridor hinaus, wo ihn zwar nicht das Budapester Empfangscomite', dafür aber das sogenannte homerische Gelächter der oberwähnten etlichen und dreißig Gentlemen empfing.

 

 

Der Herbst. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung 29.9.1895

In den Selterwasserbuden — „Hallen" heißen sie offiziell — frieren die kohlensauren Nymphen bei ihrem Wasser, das jetzt so kalt ist, wie es im Sommer zuweilen warm war, und ähnlich wie seinerzeit Lenore fahren sie aus schweren Träumen empor, wenn ein über alle Maßen Hitziger von ihnen einen Trank der Labe heischt.

 

 

Der Bau der sibirischen Eisenbahn. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Morgen-Ausgabe 8.5.1895

Es heißt also, daß der bisherige Leiter des Baues Ingenieur Adadurow von seinem Posten zurücktritt und an seiner Statt der Ingenieur Petschkowski ernannt wird. Wenn sich dieses, wie schon gesagt, nicht unbegründete Gerücht wirklich bestätigt, so möchte man bezüglich Adadurows beinahe ausrufen: „Die Todten reiten schnell!" Noch Ostern dieses Jahres erhielt Adadurow die „Exzellenz", das heißt den „Wirklichen Staatsrath", und heute schon rechnet ihn unsere hohe Beamtenwelt so ziemlich zu den „Todten".

 

Politische Uebersicht. Deutsches Reich. In: Bürger-Zeitung für Düsseldorf und Umgebung 16.1.1895

König Stumm hat selbst dem offiziösen Hamb. Corr. zu dick ausgetragen. Das Blatt sagt mit deutlichem Spott, Herr von Stumm habe die Sozialdemokratie „als Furie im blutigen Gewande" gezeigt. Er ging mit der Partei in's Gefecht, „daß Kies und Funken stoben" — denn die sozialdemokratischen Abgeordneten ließen es an Protesten und Zwischenrufen nicht fehlen.

 

 

Die Münchener Kunst-Ausstellungen. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Morgen-Ausgabe 27.6.1895

Weiter sehen wir dann, von Frank Kirchbach riesengroß gemalt, wie der todte Wilhelm, ein Gerippe in Uniform, seine Leonore hoch zu Roß in den Kirchhof schleift, genau wie es Bürger beschreibt. Lenore ist ein kräftiges, garnicht unappetitliches Mädchen: welche Komplikation starker Sensationen!

 

 

A n d e r e L e s a r t e n, wenn das Fahrrad im vorigen Jahrhundert erfunden worden wäre. In: Wittener Zeitung, 21.12.1895

Lenore fuhr um's Morgenroth
Zur Stadt auf einem Zweirad;
Wollt' wissen, ob ihr Wilhelm todt,
Der Aelt'ste vom Kanzleirath.
Er wurd' im blut'gen Schwertertanz
Als Gummireiter=Ordonnanz
Vom Bataillon verwendet,
Wie hat er nun geendet?


               Bürger.

 

 

Richter und Matzenauer nach der Bürgermeister-Beeidigung.
(Frei nach dem a l t e n von einem jüngeren "B ü r g e r".)   In: Figaro, 23. Mai 1896

Herr R i c h t e r fuhr um’s Morgenroth
Empor aus schweren Träumen:
„Hilf, Himmel, bin ich wirklich „todt'!"
Mein Blut will überschäumen!
Verloren Alles! — Tag und Nacht
Hab' ich umsonst gekämpft, gewacht,
Ein Wunder, meine Lieben,
Daß ich gesund geblieben!"

„O, R i c h t e r, lass' die Daseinslust
Dadurch Dir nicht vermindern,
Der löbliche P a r t e i v e r b a nd
Wird Deinen Kummer lindern!"
„Ach, M a t z e n a u e r, meinen Brand
Den lindert kein P a r t e i v e r b a n d!
Er kann zu neuem Leben
Das F e l d mir nicht mehr geben!"

„Freund, was gescheh'n ist, ist gescheh'n!
Lass' d'rum den S t r o b a c h schwitzen,
Wer weiß, wie bald man wieder ruft
Nach uns, den a l t e n S t ü t z e n;
Denn ,Fortschritt", „Freisinn", „Wahrheit", „Licht",
Mein alter Freund, die s t e r b e n n i c h t!
Bald nah'n des Glückes Boten!"
„A c h, l a s s' s i e r u h'n, d i e T o d t e n!"

Und heißer rollt ’s dem Fortschrittsmann,
Stets heißer durch die Adern,
Er reißt vom Leib die Kleider sich
Und achtet kaum der H a d e r n...
Als daß im langen Zug erscheint,
Die ganze Schaar der „a l t e n F r e u n d'",
Die mit dem „b l a u e n B o g e n",
Ach, gleichfalls h e i m w ä r t s z o g e n...

 

 

La Croix, 2 octobre 1896

Çà et Là
L'OUBLI
On écrit de Bruxelles que hier, jour anniversaire de la mort du général Boulanger, personne n'a visité la tombe du cimetière d'Ixelles.Une seule couronne a été déposée la veille. Puis plus rien l'oubli.
  Les morts vont vite.

 

 

Unter-Retzbach. In: Znaimer Wochenblatt 18.1.1896

Am Samstag den 11. d. fand in den Saallokalitäten zur Weintraube der Ball der freiwilligen Feuerwehr statt, zu welchem Zwecke ein geschultes Comite in sehr gelungener Weise mit Feuerwehremblemen den Saal geschmückt hatte. Der Besuch war recht zahlreich und getanzt wurde selbstverständlich bis Leonore ums Morgenroth fuhr.

 

 

Theater und Musik. In: Norddeutsche allgemeine Zeitung, Abend-Ausgabe 14.1.1896

G. Z. Auf die schwungvollen Verse des vorzüglich dargestellten Einakters: "Das Buch Hiob" von Leopold Adler folgten gestern im königlichen Schauspielhause Ernst Raupachs "Royalisten", die Herr Grube einzig Herrn Haase zu Liebe der schweigsamen Ruhe eines wohlverdienten Vergessenheitsschlummers entrissen hatte. Weder das Stück, noch die im Mittelpunkte der Handlung stehende Figur Oliver Cromwells können heute auch nur einen Augenblick ernst genommen werden; das Wort Lenores: "Ach laß sie ruhn die Todten!" wollte uns den ganzen Abend nicht aus dem Sinn.

 

 

Das Denkmäler-Archiv. In: Norddeutsche allgemeine Zeitung, Morgen-Ausgabe 28.10.1896

Es handelt sich jetzt, nachdem die technischen Schwierigkeiten durch die seit 1885 bestehende Meßbild-Anstalt überwunden sind, darum, mit möglichster Schnelligkeit unsere Baudenkmäler mit Allem, was damit zusammenhängt, gleichsam in den sicheren Hafen zu bringen; denn "die Todten reiten schnell". Wind und Wetter und die mehr oder minder verständnißvollen "Wiederherstellungsbauten" räumen in dem alten Bestande furchtbar auf.

 

 

Vermischtes. In: Norddeutsche allgemeine Zeitung, Morgen-Ausgabe 20.12.1896

Denn als sich der Besitzer nach des Tages Mühe ein kleines Schläfchen gönnte, erschien der gute Nachbar und Jagdgefährte, der vorher zum Scheine nach Hause gegangen war, wieder auf der Bildfläche und brachte das edle Wildpret hinüber in seine Wohnung. So wurde der Rehbock zum ersten Mal gestohlen. Schon freute sich der Schlaue auf den saftigen Braten, den er unter Reisig verborgen in seinem Schuppen ließ. Doch die Todten reiten schnell. Der Besitzer, der nach dem kleinen Schläfchen wieder nach seinem Bock sehen ging, fand ihn nicht mehr im Gewölbe vor und stieg nun schleunigst voll Zorn dem nachbarlichen Gefährten aufs Dach, bei dem er natürlich das Gesuchte vermuthete. Dieser gestand nach längerem Leugnen den Diebstahl ein und führte den Besitzer in den Schuppen, um ihm den Bock wieder auszuliefern. Aber — weg war er! Nur ein paare Haare zeugten noch von seinem einstigen Vorhandensein. Er war zum zweiten Mal gestohlen.

 

 

Anzeige in Sieg-Bote : größte und meißtverbreitete Zeitung des ganzen Siegkreises, 16.5.1896

sieg_bote_1896

 

     Lenore.!

    Lenore fuhr um's Morgenrotb
    In den Nachmittagsstunden.
    Der Mann, der Herz und Hand ihr bot,
    War spurlos ihr verschwunden.
    Sie hat die Straßen insgesammt
    Schon abgesucht nach Fritzen -
    Denn morgen soll's auf's Sandesamt
    Und heut läßt er sie sitzen
    Schon ist der arme Droschkengaul
    Erhitzt im höchsten Maaße.
    "He", ruft sie - "Kutscher - nun, nicht faul,
    Noch auf die Kaiserstraße" -
    Da sieht sie Fritz im Laden steh'n,
    'Nen Anzug anprobieren,
    Weil in der Goldenen gut und schön,
    Zu halbem Preis sie führen:
    [...]
    Zur goldenen 46,
    46 Kaiserstraße 46,
    bei
    Joseph Jülich.

 

 

 

 

 

SIR GUY'S GOBLET von Annie Thomas. In: Christchurch Times, December 18, 1897

“The sconer I get you home the better, for your ankle, Miss Dunbar. This old fellow's gallop is like a rocking chair; tell me if you can bear it?”
“He slackened the reins, and the horse went off like an arrow at once.
“Yes, I can bear this,” I murmured, as he grasped me more firmly, and Guy Pomfret said:
  'That's roght – that's pluchy,' and then sang:
“Graut liebchen auch? Der mond scheine hell,
 Hurrah! Die Todten reiten schnell
 Graut liebschen auch vor Todten?”
“Say more of 'Lenora'” I roused myself to utter, as he paused; but he merely repeated the three lines he had already sung, and promised to read me the whole of the marvellous ballad same afternoon.

     der vollständige Beitrag

christchurch_times_1897 

 

 

Buntes. "Hurrah, Hurrah, Hurrah!" In: Montags-Revue aus Böhmen 1.11.1897

Braucht man es wirklich noch zu sagen? Frage sich doch Jeder, wo im Leben wirklich ein sinnvolles "Hurrah! gerufen wird. Wo anders, als beim Eilen, Vorwärtsstürmen, Draufgehen, und dort gehört es hin, nirgends anders. Mit Hurre, hurre, hurre, schnurre, Rädchen, schnurre, malt Bürger die rasche Bewegung des Spinnrades. „Und Hurre, hurre, hopp, hopp! ging- fort in sausendem Galopp"— heißt es in seiner „Leonore". Das hat Sinn.

 

 

Meldung. In: Beilage der "Berliner Börsen-Zeitung" 31.12.1897

Der 150. Geburtstag des Balladendichters Gottfried August Bürger soll am Sonnabend, den 8. Januar, im Festaal Alexandrinenstraße 32 feierlich begangen werden. Die Anregung zu dem Gedenkacte ist von den hiesigen Freunden der Dühringschen Philosophie ausgegangen. Die Festrede wird denn auch den Volksdichter Bürger im Lichte Dühringschen Denkens behandeln. Ein „Prolog an Bürger" wird die Feier einleiten, Quartett-Gesänge und Declamationen BUrgerscher Gedichte werden der Festrede vorangehen und ihr folgen.—

 

 

1. öffentliche Sitzung der Zweiten Kammer. In: Karlsruher Zeitung, Morgenblatt 13.1.1897

Aber auch darüber sei man allseits einverstanden gewesen, daß wenn einmal das Rad der Konversion in's Rollen komme, wenn insbesondere die anderen größeren deutschen Bundesstaaten damit vorgingen, man in Baden mit der Zinsherabsetzung nicht im Rückstand bleiben dürfe. Davon allerdings, daß die Konversion uns so nahe sei und daß die Verhältnisse auf dem Kapitalmarkt sich innerhalb Jahresfrist so ändern würden, daß ein außerordentlicher Landtag an die gesetzgeberische Lösung der Frage herantreten müsse, hätten vor Jahr und Tag wohl die Wenigsten sich träumen lassen. Nicht nur die Todten reiten schnell, sondern manchmal auch die Finanzminister, und wenn man beim Ritt in's gelobte Land der Konversion versäumen wollte, rechtzeitig mitzumachen, so liefe man Gefahr, das Ziel überhaupt nicht oder nur mit besonderen Schwierigkeiten zu erreichen.

 

 

Theater, Kunst und Literatur. In: Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) 15.8.1897

 Der alte Excellenz-Graf hat eben Abschied von der Enkelin genommen, welche die Hochzeitsreise antrat; "Ein Fremder", wie er auf dem Zettel genannt wird, besucht ihn zu abendlicher Stunde, in Wirklichkeit Jemand, den er schon flüchtig kennen lernte, der ihm immer sympathisch war nnd der nun in der trüben Abend- und Abschiedsstunde seine weichmüthigen Erinnerungen anhört und begleitet. Dieser Fremde ist — der Tod, der Tod im Salonanzug, aber von Herrn W e i s s e mit einem Porträt dargestellt, das gruselig wirkte. Man hat es, wie ersichtlich, mit einer ziemlich bizarren Allegorie zu thun. "Graut Liebchen auch vor Todten? Ach nein, doch lass’ die Todten !" Dieser letzteren Ansicht war ein großer Theil des Publikums, das, als der mit schwarzer Cravate und Handschuhen modern ansgestattete Tod dem Alten liebevoll die Augen zugedrückt, untereinander ziemlich uneins war: zischend und applandirend.

 

 

Badischer Landtag. In: Badische Landes-Zeitung, II. Blatt 13.1.1897

Daß der Tag der Konversion so nahe sei, daß ihrethalben ein außerordentlicher Landtag berufen werden müsse, das haben wohl vor Jahr und Tag die wenigsten sich träumen lassen. Nicht nur die Toten reiten schnell, sondern manchmal auch die lebenden Finanzminister.

 

 

X. Der Cavallerie-Angriff am 10. September. In: Berliner Börsen-Zeitung, Morgen-Ausgabe 19.9.1897

Was die wilde Jagd der 12 Regimenter bei Homburg betrifft, so sind sie gegen die „Flaggenarmee" des Generals v. Plessen jedenfalls siegreich gewesen, und ob gegen einen scharf schießenden Feind Mann und Pferd geblieben sein würde, das hängt davon ab, ob bei den Reitern oder den Schützen die Fixigkeit größer gewesen wäre. Vielleicht würden die Schützen noch von den erschossenen Reitern überritten werden.
   „Graut Liebchen auch? Der Mond scheint hell,
   Hurrah, die Todten reiten schnell!
   Graut Liebchen auch vor Todten?"

 

 

Herbststimmung. In: Neues Tagblatt und General-Anzeiger für Stuttgart und Württemberg, 23.9.1897

Aber nicht bloß Freude, sondern auch Leid bereitet die Manöverzeit weiblichen Herzen. Wer beschreibt den Trennungsschmerz und die Sehnsucht der in den Garnisonsstädten zurückgebliebenen Mägdlein nach ihren ins Manöverfeld gezogenen „Bräutigamen"!  
  Auguste fährt ums Morgenrot 
  Empor aus schweren Träumen:
  „Bist untreu, Peter, oder tot?
  Wie lange willst du säumen?
  Es sind jetzt schon der Tage acht,
  Daß keinen Brief die Post gebracht,
  Du wirst mich doch noch lieben??"

 

 

Eisenbahnlyrik. In: Der Floh, Nr. 35 1898

L e n o r e fuhr ums Morgenroth
Empor aus schweren Träumen:
Bist untreu W i l h e l m oder todt,
Was soll Dein langes Säumen?
Vor vierzehn Tagen fuhr er davon,
Sie sah ihn im Eisenbahnwaggon;
Und er hatte nicht geschrieben,
Ob er gesund geblieben.

        Der vollständige Text

 

 

La Caricature, 16 avril 1898

La Caricature, 16 avril 1898

 

 

Großstadtlärm. In: Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) 28.8.1898

Man hört, die Tropfen in der schlecht geschlossenen Wasserleitung glucksen; erwacht bei dem Schritte jedes später Heimkehrendem ; fährt ums Morgenroth empor aus schweren Träumen, weil die Magd unterhalb die Weckeruhr gestellt hat und vollständig ablaufen läßt; erschrickt eine halbe Stunde später über das Kleiderausklopfen und springt endlich wüthend aus dem Bette, weil nebenan von einer fleißigen Hand Stiefel gewichst werden und dies im Hause ein dreifaches Echo hervorruft.

 

 

Ein Interview mit dem Prinzen von Wales. In: Kikeriki 28.7.1898

Als ich las, daß der letzte Kniefall des englischen Thronfolgers bei Ferdinand Rothschild so schlimm ausgefallen sei, ließen mich seine Schmerzen an der Kniescheibe nicht schlafen. Ich fuhr also schon ums Morgenroth empor aus meinem Bette und sodann nach Wales, oder wie wir es schreiben: Wels.

 

 

Zeitungsschau. In: Badische Landes-Zeitung, II. Blatt 12.8.1898

Der Fabrikant der bekannten „Friedenswurst, an deren einem Ende Mc Kinley und an deren anderem Spanien zieht", erfreut uns mit einem neuen Produkt seines schätzbaren Humors. Der Wurstkessel-Korrespondent des „Säckinger Volksblatts" schreibt nämlich in seiner neuesten Wochenschau: „In Spanien werden die Friedensböller gelöst. Mc Kinley und die Königin, des langen Haderns müde, erweichten ihren harten Sinn und schlossen endlich Friede. Der Krieg wird indes kaum länger gedauert haben, als der griechisch-türkische und hat den Spaniern keine größeren Lorbeeren gebracht, als sich die Griechen bei Larissa und Volo geholt.

 

 

Gladstones Begräbniß. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Abend-Ausgabe 28.5.1898

Welche Größe wird Gladstone durch die Atmosphäre der Geschichte, in das Verhältnis zu anderen Sternen gerückt, einst einnehmen? Noch ruht er nicht in dem Gewölbe und schon sagte mir neulich ein Diplomat „Sehen Sie, hier in diesem Schubfache liegen Akten, in deren Lichte einst der „große alte Mann" unendlich klein erscheinen wird." Ja, die Todten reiten schnell. Sie fahren in England sogar noch schneller, und der alte Gladstone wurde in der Untergrundbahn zu seiner letzten Ruhestätte übergeführt.

 

 

Von München nach den Pyrenäen. In: Norddeutsche allgemeine Zeitung 28.8.1898

Bis an die Oberalp hatte ich seit meinem Eintritt in die Schweiz merkwürdiger Weise noch keine Tourenfahrer angetroffen; da, auf einmal kam's oben herabgesaust: zuerst einige Franzosen mit meterlangen Spaltholzstücken als Schleppbremsen, die mit Stricken an der Hinterradgabel befestigt waren. Sie fuhren ziemlich mühelos und sicher die scharfen Serpentinen der kräftig abfallenden Paßstraße herab, daß Kies und Funken stoben. Starke Baumäste erfüllen den nämlichen Zweck, aber dann schreit das ganze Thal wegen des samumartigen Staubes.

 

 

Englische Romanze. In: Nebelspalter, 2. Dezember, 1899, Zürich. Digitalisiert von ETH Zürich 

    Herr Chamberlaine um's Morgenrot
    Fuhr auf aus schweren Träumen:
    "Was ist denn das? Stockschwere Not!
    Wie lang will Buller säumen?
    Wir schicken ihn doch nach Transvaal
    Damit er, wie ein Wetterstrahl
    Bei schwüler Luft wie Halme,
    Die Boerenbrut zermalme!"

    Der vollständige Text

 

 

Die eifersüchtigen Radler. In: Fliegende Blätter, Nro. 2826  1899

Lenore fuhr um's Morgenroth
Zur Stadt hinaus, leicht wie ein Loth.
So Mancher seufzte nach ihr hin:
"Wär'st Du doch mein, o Radlerin!"

       radler_lenore_1899

 

 

Classisches aus den Bädern. In: Der Floh Nr. 28, 1899

franzensbad floh

Franzensbad. Leonore fuhr um's Morgenroth empor aus schweren Träumen.

 

 

Lustige Blätter Jahrgang 1899 Nr. 2

lustige blaetter 1899


Nomen est Omen.

“Sie brechen viel zu früh auf, F r ä u l e i n L e n o r e.” - “”Wieso?”” - “Nun, Sie dürften doch erst u m s M o r g e n r o t h fahren.”

 

 

Poesien Fin de siecle. In: Österreichische Musik- und Theaterzeitung, 20. November 1899, S.3
 D e r T a n t i e m e n - G e s e l l s c h a f t gewidmet von Arthur B a r d e.

 Componisten und Autoren.
 Verloren ist verloren! —
 Wer wird sich d’rob auch grämen,
 Es flossen ja Tantiemen! —
 „Ja, ja, die Todten reiten schnell
 Graut Liebchen auch vor Todten?
 Ach lass', ach lass’ die Todten.“ —
 Und siehe da, das Morgenroth
 Erweckt aus schönen Träumen.
 Tantiemen man uns Allen bot —
 Wer wird da lange säumen?
 Mit Sing und Sang,
 Mit Kling und Klang,
 Wir Alle dort erscheinen.
 Wir Alle uns vereinen
 Ach ja, die Todten reiten schnell.
 Das Morgenroth, es macht uns hell;
 Tantiemen, die geboten,
 Die werft nur zu den Todten. — —

 Es floss so manches Tausend ein;
 Doch ach! s’ gehört nicht mein noch dein,
 Denn Alles ging auf Spesen
 O Besen! wärst du Besen
 Geblieben stets! Tantiemen, ach Tantiemen
 Die reimen sich auf Nehmen. —
 Und mussten Alle blechen,
 So will ein Wörtlein sprechen
 Ich mit dem löblichen Verein:
 Was nutzt mir denn das Mein und Dein,
 Wenn Mein und Dein verloren?
 Ach, wär' doch nicht geboren
 Der theure, theuere Verein!
 Jetzt legt ihn in den Todtenschrein!
 Graut Liebchen auch vor Todten?
 Ach lass’, ach lass’ die Todten!
 

 

Politische Nachrichten. In: Berliner Börsen-Zeitung, Morgen-Ausgabe 21.11.1899

— Die Todten reiten schnell. Daß das auch im Reichstage gelten kann, selbst wenn es sich um eine Vorlage von hervorragender Bedeutung handelt, das hat der gestrige Tag gezeigt. Um 1 Uhr mit akademischem Viertel begann die Sitzung, auf deren Tagesordnung die sogenannte Zuchthausvorlage stand; und Punkt 4 1/2 Uhr war Alles vorbei und die Vorlage in denselben Hades gewandert, der ehedem schon das Umsturzgesetz verschlungen hat.

 

 

Caprivis Ruhesitz und Ruhestätte. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung 9.2.1899

Es wäre für mich in dieser Jahreszeit sehr mühsam gewesen, nach Skyren zu gelangen, wenn ich nicht am Bahnhof Herrn Förster Balke getroffen hätte, der in den Diensten des alten Herrn v. Schierstädt. des konservativen preußischen Landtagsabgeordneten, steht, und der, um 4000 Morgen Wald zu beaufsichtigen, sich bald des Rades, bald, wie heute, des Wagens bedient. Auf dem holprigen Wege ging es „hurre, hurre, hopp, hopp, hopp", daß man im Bogen aus dem Wagen hätte fliegen können.

 

 

Der Schah. (Ballade.)  In: Der Floh Nr. 41 1900

Es fuhr der S c h a h um's Morgenroth
Empor aus schweren Träumen.
Er ruft: "Wo bleibt mein Großvezier,
Was soll sein langes Säumen?"

"Ich schickt' ihn aus, zu bringen mir
Die Kiste, die ist angekommen
mit neuen Orden, denn ich hab'
Genügend vielo nicht mitgenommen."

"Die Menge dräut, ich sehe schon,
Ich brauch' an t a u s e n d neue Orden;
Wenn sie noch lange bleiben aus,
Sind sie im Stande, mich zu morden."

 

 

Der gerupfte Pfau oder Suum cuique. In: Lustige Blätter schönstes buntes Witzblatt Deutschlands — 15.1900

Und jedes Heer mit Sing und Sang,
Mit Kling und Klang und Zsching und Tschang,
Geschmückt mit "Pfauenfedern" - - - -
                 (Nach Bürgers "Leonore")

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    größeres Bild

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Sensationsnachrichtenbureau in Lustige Blätter: schönstes buntes Witzblatt Deutschlands — 15.1900

A. : Ich denke, alle Europäer in China sind ermordet;
    und jetzt stehen sie schon wieder vor Peking?

B. : Nun ja: die Todten reiten schnell.

 

 

les morts vont vite (Die Todten reiten schnell) in L'Intransigeant, 2 mai 1900 (RETRONEWS der BnF)

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                             Erläuterung

 

Znaimer Nachrichten. In: Znaimer Tagblatt 26.8.1900


Miezmanns. (Gründungsfest der Freiwilligen Feuerwehr,) Betäubt fuhr ich ums Morgenroth — Empor aus schweren Träumen. Ich fand mich in der Wirklichkeit und glaubt', ich träume weiter, denn herzerfreuende Musiktöne berührten mein
Ohr, so dass ich die sonst nackte Wirklichkeit mit dem Reiche des Traumes verwechselte.

 

 

Die Kandidatur Dewey abgethan. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Abend-Ausgabe 8.5.1900

Wenn man bedenkt, daß die Selbstproklamation des Admirals erst am 4. April erfolgte, und man schon zwei Wochen später in der Presse nach Notizen über diese Kandidatur mühsam suchen mußte, so kann man hier wirklich das Dichterwort anwenden: „Die Todten reiten schnell!" Nicht einmal diejenigen Kreise, die allen Grund gehabt hätten, einen populären Kandidaten als Vorspann zu benutzen, also vor allem die Golddemokraten im ganzen Lande, die Bryan abgeneigten Demokraten des Ostens wie die unzufriedenen Republikaner, Mugwungs und Antiimperialisten, haben Dewey Recht gegeben.

 

 

Beim Maifest. In: Hamburger Echo 6.5.1900

Balladen-Fragment nach berühmtem Muster.

Herr Blohm, der fuhr um's Morgenroth
Empor aus schweren Träumen,
"Der erste Mai! Schockschwerenoth!
"Nicht länger darf ich säumen.
"Muß sehen, ob heut' meine Macht
"Das Arbeitsvolk wohl auch verlacht.
"Will seh'n, ob meiner spotten
"Die frevelhaften Rotten!"

Viel' tausend' Männer Reih' an Reih'
In langem Zuge gehen.
Die rothe Fahne flattert frei,
Die Banner lustig wehen.
Hell tönt der kühne Marschgesang
Zu Paukenschlag und Hörnerklang,
Der Marseillaise Weise,
Dem Freiheitskampf zum Preise.

Und überall, allüberall,
Auf Wegen und auf Stegen
Harrt Alt und Jung dem Jubelschall
Der Kommenden entgegen.
Herr Blohm mit düsterm Angesicht
Zu seinen Adjutanten spricht:
"Kaum kann ich es erfassen ...
"Hört Ihr den Tritt der Massen?!"

Er ging wohl auf und ab den Zug
Und musterte die Schaaren
Und rechnete und zählt' und frug,
Wie viele es wohl waren.
Als nun der Zug vorüber war,
Da kratzt' er stöhnend sich im Haar
Und blickt starr zur Erde
Mit zorniger Geberde.

Herr M u h l e ging zu ihm wohl her:
"Ach, daß sich Gott erbarme...
"Auch mir ward ja das Herz so schwer!" -
Und schüttelt' ihn am Arme.
"O Muhle, Muhle, hin ist hin!
"Viel' Tausende zum Maifest zieh'n,
"Die uns'rer Drohung lachen
"Und sich d'rob lustig machen."

Herr Muhle sprach noch manches Wort
Und suchte Trost zu spenden:
"Noch haben wir ja unsern Hort
"Und Alles muß sich wenden.
"Noch haben, Blohm, wir den Verband
"Der Arbeitgeber in der Hand;
"Der wird schon Rache nehmen
"Und diese Frevler zähmen!" -

"O Muhle, Muhle, willst Du noch
"Mir Trost in's Herze träufeln?
"Der N i m b u s, unser Nimbus doch
"Ging heut' zu allen Teufeln!
"O Muhle, Muhle, was mich grimmt,
"Kein Ukas von der Seel' mir nimmt!
"W a s h i l f t d e n n u n s e r K e i f e n,
"W e n n s i e d o c h d a r a u f p f e i f e n?"

 

 

nach oben      75 / 20.12.2023

 

1901-1910

 

Balladen-Ragout. In: Beilage zu Nr. 65 der "Bozner Zeitung" vom 20. März 1901

Erlkönig jagt durch die finstre Nacht
Zu Dionys, dem Tyrannen,
Der wilde Jäger hinter ihm
Saust durch die dunklen Tannen.
Und hurra! hurra! hopp, hopp, hopp!
Geht's fort in sausendem Galopp

    Der vollständige Text

 

 

Le Constitutionell, 29 août 1901

Une application vraiment inattendue de l'automobile a été faite ces jours-ci à Conventry.
  On a conduit en « teuf-teuf », à sa dernière demeure, un employé d'une grande fabrique de cycles de la ville.
  N'est-ce pas le cas de dire plus que jamais que « les morts vont vite » 

 

 

La Petite République, 9 septembre 1901

PETITS PAINS DU MATIN
Le Gaulois s'indigne de ce qu'hier on pouvait voir, avenue de Villiers, un corbillard s'en aller au trot allongé de ses chevaux.
Ne faut-il pas de temps en temps justifier le vieil adage: « Les morts vont vite. »
                         Jean Mitron
 

 


Rund um den Kreuzthurm. In: Neueste Nachrichten 12.5.1901

Kurz nach der Eröffnungsfahrt bekam sie ihre "Launen" (daher der Name "D i e Schwebebahn" würde der Sehreiber dieser Zeilen boshaft hinzugefügt haben, wenn er ungalant wäre, was er aber zum Glück nicht ist) und das Resultat war, —— daß die Bahndirection eine Ankündigung erließ, derzufolge der Betrieb der Schwebebahn wegen sich nöthig machender "baulicher Veränderungen" noch nicht aufgenommen werden könne. Ob dieser Antwort des Candidaten Jabses erfolgte im Publikum allgemeines Schütteln des Kopfes. Die meisten Leute haben sich nun mit dem Scheffelsehen Wort: »Es wär' so schön gewesen, es hat nicht sollen sein" bis auf Weiteres getröstet, den "Raisonneuren" aber sei zugerufen:
    "Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht,
    Mit "Schwebebahnen" had're nicht!"

 

 

Finanzielle Rundschau. In: Badische Presse : Generalanzeiger der Residenz Karlsruhe und des Großherzogtums Baden, Mittagausgabe 18,8.1901

Die Landau-Affaire ist in der ganzen Woche nicht mehr zur Diskussion gekommen; die Todten reiten schnell, wie das bekannte Sprüchwort lautet, obgleich in der Hochfinanz selbst noch manche Konsequenzen davon zu erledigen sein werden.

 

 

Tagesbericht. In: Ostdeutsche Rundschau 19.4.1901

Es ist die einzige, die wir zitirt haben, die wir zitiren durften, um nicht durch die Wiedergabe mehrerer solcher Stellen - und es wimmelte in dieser Rede förmlich von solchen Gemeinplätzen — zur Vervielfältigung der brutalsten Zügellosigkeit des öffentlichen Wortes beizutragen. Hinter uns, im wesenlosen Scheine, liegt, was uns Alle „gebändigt" hat, dieses „Volksgericht". Für die Leute, die sich bei diesem „Siege", bei diesem zynischen „Abschlachten" das Richteramt mit dreister Stirne anmaßen zu dürfen glaubten — die Armen! — für sie war nach einem Anzengruber'schen Worte jeder Tag ein Tag der Schuld und jeder Tag ein Tag auch des Gerichtes. „Graut, Liebchen, auch?"

 

 

Briefkasten. In: Kladderadatsch: Humoristisch-satirisches Wochenblatt — 54.1901

"Vossische Zeitung" (Nr. 237) [...] K. L.: Leider nicht zu verwenden. „Mästen — versetzen", „Thränen — bezähmen" sind nach Theophil Ballheim („Das Ganze der Reimkunst", XI. Bd., S. 613) „nothleidende oder kranke Reime." Auch besteht der Sarg nicht, wie Sie singen, aus „acht Brettchen", sondern es sind,- wie ausdrücklich in Bürgers „Lenore" gesagt wird, „Sechs Bretter und zwei Brettchen."

 

 

Der grausige Ritt in Lustige Blätter: schönstes buntes Witzblatt Deutschlands — 17.1902

der_grausige_ritt_1902

Wie flogen rechts, wie flogen links
Der Paragraphen Trümmer!
Wie heulte durch die Lüfte rings
Ein Zetern und Gewimmer!
„Graut Liebchen auch? .... der Mond scheint hell,
Hurrah, das Plenum reitet schnell!
Nur immer stramm sich sputen,
Hier geht es nach Minuten!"

Sieh da! sieh da! am Anger dort,
Ganz elend und gebrochen,
Tanzt ein Gesindel immerfort,
Tanzt um den letzten Knochen.
„Sasa, Gesindel, hier! komm hier!
Gesindel, komm und folge mir,
Tanz' uns den Hochzeitsreigen,
Wenn Liebchen wird mein eigen!"

Und das Gesindel, husch, husch, husch!
Kommt hinten nachgeprasselt,
Wie Wirbelwind und Haselbusch
Durch dürre Blätter rasselt.
Und weiter, weiter, hop, hop, hop!
Geht's fort in sausendem Galopp,
Dass die Debatte splittert,
Fünf Mark und Bein erzittert.

Rapp! Rapp! Ich witt're Morgenluft,
Es ist schon ziemlich späte,
Rapp! Rapp! Mich dünkt, der Hahn schon ruft,
Der Diederich, der krähte! —
Vollbracht, vollbracht ist unser Lauf,
Die dritte Lesung thut sich auf,
Das Plenum reitet schnelle,
Wir sind, wir sind zur Stelle!

Nun tanzen wohl bei Mondenglanz
Rund und herum im Kreise
Die Geister einen Kettentanz
Und heulen diese Weise:
Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht,
Um fünfzig Pfennig hadre nicht,
Des Reichstags bist du ledig,
Gott sei dem Volke gnädig!

 

 



 

 

 


Der Steinwirt-Sepp. von S-r. in Grazer Volksblatt 23.2.1902

So schwelgten sie wohl lange Zeit im reinsten Glück und tranken Wein dazu und säßen vielleicht heute noch dort, wäre draußen nicht ungestüm an der Klingel gerissen worden. Wie einst Leonore ums Morgenroth, so fuhr jetzt Nanni empor aus süßen Träumen und ehe der Sepp wusste, wie ihm geschah, war er in eine Thürnische geschoben und zwei schwere Vorhänge zogen sich vor ihm zusammen.

 

 

Feuilleton. Der weiße Schimmel. In: Pilsner Tagblatt 27.7.1902

Ein wilder Fluch schwebte dem Häuptling auf den Lippen. Doch was sich nun begab, ließ ihn starr und offenen Mundes verharren. Wie das Geisterpferd aus der seligen Leonore sausten Ross und Reiter an ihm vorüber. "Und hurre, hurre, hopp, hopp, hopp, gings fort in sausendem Galopp. —- Dass Kies und Funken stoben und Ross und Reiter schnoben!" "Jkatz, Himmelhund, will er wohl?" schrie nun Zettdorf.

 

 

Tutti-Frutti. In: Das interessante Blatt 31.7.1902

Weshalb lag die Sommerfrische an einer Bahnstrecke? Das war ein Wink des Schicksals! Tag für Tag unternahm der Othello mit seiner Desdemona einen Ausflug, von früh morgens bis spät abends blieb er auswärts und wartete den schicklichen Zeitpunkt ab, um überhaupt das Weite mit Anstand zu suchen. Der galante Ritter merkte die Absicht und „flügelte" ebenso aus; Lenore fuhr noch nicht ums Morgenroth empor aus wüsten Träumen, stand auch schon der gefühlvolle Seladon gestiefelt und gespornt da und folgte dem Paare wie ein Schatten.

 

 

Randbemerkungen. In: Wiener Neueste Nachrichten 21.7.1902

»Leonore fuhr ums Morgenroth .. empor aus schweren Träumen" — und der Herr Generaloberst von Loe, derjenige, der kürzlich "mit Vorbedacht die Israeliten nannte", weil "einer der tapfersten Husaren", "ein Bonnerkind" - der Moses Bier nämlich — ebenfalls "unter dem Zeichen des Kreuzes lebt" — dieser besagte Herr Generaloberst von Loe ist mit einem gräßlichen Katzenjammer aus dem schönen Traume erwacht.

 

 

Arbeiterschaft. In: Ostdeutsche Rundschau 15.2.1902

Die hunderttausend schönen sozialreformatorischen Worte, die man, zu wohlgeformten ministeriellen Reden gedrechselt, alljährlich hören kann, sind durch das Knattern Militärischer Gewehrsalven schauerlich überhallt worden — und wenn sie wieder einmal, die schönen Worte, pathetisch zu erklingen beginnen werden, werden sie einen merkwürdigen, ironischen Kontrast darstellen zu dem Wehklagen der Witwen und Waisen Jener, die man gestern in Triest erschossen hat! „Graut Liebchen auch — der Mond scheint hell, — Hurrah! die Todten reiten schnell..."

 

 

Herr Adabei. In: Der neue Bezirksbote, Schwechat 13. Dezember 1903

Herr Mellich fuhr ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen.
"Was ists mit meinem Morgenbrot?
Darf nicht die Tramway versäumen!
War der Erste im Jubiläumsbad,
Na, Himmel-Kreuz-Bomben, das fehlte mir grad,
Daß man von mir sollt' sagen:
Er war nicht im ersten Wagen!"

Er stürzet den Kaffee hinab
Und stürzt hinaus zum Tor.
Da fährt grad in flottem Trab
Der erste Wagen vor.
Herr Mellich, Glücksellig und Kurdziel im Nu
Sie springen in'n Wagen: Nun, Kutscher, fahr' zu!
Vor Neid soll'n die andern zerbersten,
Wir waren dennoch die Ersten!

      Epilog:
Nicht möglich ist's, ab ihm zu laufen den Rang,
Wir werden noch oft es erleben
Und wird einst - es dauert vielleicht nicht mehr lang -
Ein Luftschiff zum Monde hinschweben,
Herr Mellich ist sicher der Erst' bei der Fahrt,
Er champoont den Mondmann und wichst ihm den Bart
Und ruft: "Was mi g'freut, na das treib' i,
Herr Adabei bin i und bleib' i"
 

 

„Der Tanzhusar", Ballade von Hugo dem Unaussprechlichen. Kladderadatsch: Humoristisch-satirisches Wochenblatt — 56.1903, Seite 216

A. Balhaus, Krefeld. Wir können uns nicht versagen, auf diese großartige Dichtung näher einzugehen. Sie behandelt, in ungezwungener Anlehnung an Bürgers „Lenore", das Schicksal einer Malerstochter aus Düsseldorf, die ihr Geliebter, ein dortiger Husarenleutnant, plötzlich verlassen hat; denn:
  "Er war mit seiner Garnison
  verlegt auf hohen Wunsch vom Thron
  Und unterlieh zu drahten,
  Wohin er war gerathen."
Die Malerstochter ist außer sich; sie läuft zu allen Truppeneinzügen — versehentlich selbst zum Train — und fragt alle Chargen vom Vicefeldwebel aufwärts nach ihrem Liebsten aus — vergebens! Da ergreift sie wildes Weh:
     „Verzweifelt mit dem Kopf sie rannt’
     Durch Ihres Vaters Leinewand
     Und raufte seine Pinsel
     Mit kläglichem Gewinsel!"
Plötzlich in der Walpurgisnacht erscheint der Geliebte leibhaftig (?) auf einem kohlschwarzen Dienstpferde, commandiert „Aufgesessen!" und sprengt mit ihr in der Richtung auf Krefeld davon. Der gespenstische Ritt durch die industrielle Gegend, in der die flammenden Essen wie „rothe Höllenfeuer" leuchten, ist meisterhaft geschildert. Um Mitternacht schließt sich ihnen ein „luftiges Gesindel" an, bestehend aus den im letzten Jahre verunglückten Automobilfahrern und ihren Opfern.
     Und hinterher kam’s töff, töff, töff,
     Mit Lärm und Stank und Hundgekläff;
     Feinsliebchen sich entsatzte,
     So oft ein Reifen platzte.
Schließlich beginnt alles zu tanzen, selbst der Rappe macht Pas wie ein Cirkuspferd, und der Liebste chassiert auf ihm herum.
     Und auf ein großes Tanzlocal
     Ging’s in des Mondes Zwielicht —
     Krach! sprang die Thüre auf zum Saal!
     Hui, standen sie im Glühlicht!
    Wie Blumen rings an weißer Wand
     Die reichsten Mädchen in dem Land,
     Gehüllt zur Augenweide
     In Krefelds Sammt und Seide."
Auf die Reichste von allen stürzt sich der Geliebte wie ein Stoßvogel und holt sie zum Tanz:
     „Und hurre, hurre. hopp. hopp, hopp,
     Schwang er mit ihr sich im Galopp,    
     Daß hell die Sporen klirrten,
     Die Kleider sich verwirrten."
Bei diesem Anblick rührt die Malerstochter der Schlag. Die Paare aber tanzen um sie herum „fast wie zum Spotte" eine Kaiser-Gavotte und singen diese Weise:
     „Geduld. Geduld, wenn’s Herz auch bricht!
     Mit dem Comißdienst hadre nicht!
     Braucht man zum Tanz ihn gnädig,
     So bleibt der Leutnant ledig."
Mit einem schrillen: „Hopsa!" schließt das ergreifende Werk.
 

 

Automobilistensang In: Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 8.1903

Von einem einfachen B ü r g e r

Zur „Zuverlässigkeitsfahrt" des Berliner Automobilvereins.

Wir fahren los ums Morgenroth
Nach kurzen schweren Träumen,
Sind Sieger Abends oder todt,
Da hilft kein langes Säumen.
Uns gilt kein Todtschlag und kein Mord,
Uns gilt als höchstes der Rekord.
Wir müssen 1000 Meilen
Noch heut' zum Ziele eilen.

Wie fliegen - ha - in Stücken rings
Die Rinder und die Schweine!
wie fliegen rechts, wie fliegen links
Die menschlichen Gebeine!
Die Huppe tutet: Hopp, hopp, hopp.
Fort geht's in sausendem Galopp,
Daß die Ventile fauchen
Und die pneumatics rauchen.

Und überall, allüberall
Auf Wegen und auf Stegen,
Eilt Alt und Jung beim wüsten Schall
Der Huppe uns entgegen.
Und wenn wir dann vorüber sind,
Liegt Vater, Mutter, Vieh und Rind
Mit leidender Geberde
In Theilen auf der Erde.
                      Frido
 

 

La Souveraineté nationale, 8 janvier 1903

M. de Lagourdette, l'homme je plus pressé du monde, est obligé de suivre un convoi qui, bien lentement se dirige vers une nécropole suburbaine.
Et, tout le long de la route, chaque cinq minutes regardant sa montre :
- Quand on pense que quelqu'un a dit : « Les morts vont vite ! » maugréet-il.

 

 

Ballon gegen Motorzweirad. Im Automobil. In: Neues Wiener Tagblatt (Tages-Ausgabe) 18.5.1903

Jetzt beginnt die Geschichte pikant zu werden. Wir werfen uns in unseren Mercedes und rasen mit verhängter Vorzündung davon: Straße links, nach Gattendorf...Gerade in Gattendorf fährt uns der Sechzigpferder mit dem Herrn Erzberzog Leopold Salvator vor und nimmt die Ricbtung nach Zurndorf. Wir folgen. Von den Motocyclisten ist Kollarz eine Weile bei uns, doch so wie der 60HP Mercedes uns verliert, so verlieren wir das Motorzweirad, und Hurre, hurre, hopp, hopp, hopp, fort geht's im sausenden Galopp. Den Ballon haben wir fortwährend zu unserer Linken, aber er wird auch fortwährend kleiner, und dort, wo man ihn nur mehr als Punkt sieht, dort sind die Schüttinseln, zahlreiche Wasserläufe; keine Straßen, höchstens hie und da ein elender Feldweg. Hurre, hurre, hopp, hopp, hopp, fort geht's im sausenden Galopp.
 [...]
Jetzt ist auch das Pünktchen kein Pünktchen mehr — verschwunden, spurlos verschwunden. Und Hurre, hurre, hopp, hopp, hopp!, fort geht's in sausendem Galopp, bis die Türme einer Stadt sich aus dem Flachlande erheben.

 

 

Die Ausgleichsdebatten im österreichischen Abgeordnetenhause. In: Karlsruher Zeitung 24.3.1903

Was seit sechs Jahren von vier Regierungen vergeblich angestrebt wurde, und was noch vor wenigen Wochen in hohem Grade zweifelhaft war, das scheint nun doch Tatsache werden zu sollen: die parlamentarische Erledigung des ungarischen Ausgleichs. In der Neujahrsnacht wurde die erste Etappe erreicht. Die beiden Ministerpräsidenten — ganz wie in der Ballade „des langen Haders müde, erweichten ihren harten Sinn und machten endlich Friede". Seitdem haben auch die czechischen Parlamentsstrategen ihren ursprünglichen Feldzugsplan, die Schlacht beim Ausgleich zu liefern, abzuändern befunden, und jetzt ist der Ausgleich bei der zweiten Station angelangt, das Abgeordnetenhaus hat die erste Lesung der Vorlagen beendigt.

 

 

Verschiedenes. In: Berliner Börsen-Zeitung, Morgen-Ausgabe 21.7.1903

Abermals hat, wie es scheint, ein Capitel in dem ereignißreichen Leben der ehemaligen Gräfin Rusell seinen Abschluß gefunden. Die liebenden Ehegatten,die Ex-Gräfin und der Ex-Lakai Brown, „des langen Handers müde, erweichten ihren harten Sinn und machten endlich Friede". Das ist, in kurzer Worten ausgedrückt, der Inhalt der Publication,welche Mr. Brown mit Erlaubniß und unter Zustimmung seiner Gattin der Londoner Presse übergeben hat.

 

 

Stimmen aus dem Zoologischen Garten. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung 8.5.1903

Papageien nnd Kakadus (im Vogelhause): Frühling! Holder Lenz! Gebt uns die Sonne!

Altes Nilpferd (zum jungen): Dummes Federvieh! Schreit nach Sonne! Was sollen wir erst sagen — wir biederen Bürger des dunklen Kontinents!
 

Ein altes Kameel: Wir etwa nicht auch, wir Kinder der Wüste? Aber macht es nur wie wir: Trampelt ein bischen und denkt: einmal wird es Allah doch warm werden lassen. Nur Geduld. Geduld, wenn's Herz auch bricht!
 

Der alte Elephant: Weise gesprochen, frommes Trampelthier! Man darf von dieser schönen gemäßigten Zone nicht zu viel verlangen! Am Ende, wozu brauchen wir überhaupt einen Frühling?

 

 

In der "Leipziger Volkszeitung". In: Vorwärts : Berliner Volksblatt ; das Abendblatt der Hauptstadt Deutschlands 3.11.1903

werden die besinnungslosen Angriffe gegen mich fortgesetzt, Angriffe, die sachlich und formell derart sind, wie sie noch vor kurzer Zeit in der Parteipresse unerhört und unmöglich gewesen wären: Die Toten reiten schnell! Da ich aber überzeugt bin, daß den Lesern des„Vorwärts" der ganze jämmerliche Tratsch längst zum Ekel geworden ist, verzichte ich, auf diese wie auf alle weiteren Angriffe von jener Seite zu antworten. [...] Kurt Eisner

 

 

Hamburger Fremdenblatt, 25.9.1904

Luise fuhr um Mitternacht
Empor aus holden Träumen:
"Die Freiheit lockt! Der Retter wacht!
Nun gilt's! Fort ohne Säumen!"
Schnell legt sie an das Reisekleid,
Das Schnauferl steht schon fluchtbereit;
Von E l s t e r s Badewannen
Weit weg saust sie von dannen!

"Wohin?" fragt sie, vor Gaudium
Und Angst ganz aus dem Häuschen;
Ihr Liebster spricht; "Zum S ü d e k u m,
Dann nach P a r i s, mein Mäuschen!"
Und hurre, hurre, hopp, hopp, hopp,
Geht's fort in rasendem Galopp,
Daß Staub und Kiesel stoben,
Töfftöff und Fahrer schnoben!

Zur rechten und zur linken Hand,
Vorbei vor ihren Blicken,
Wie fliegen Anger, Heid' und Land!
Wie donnerten die Brücken!
Zwei Katzen nachts beim Rendezvous
Und morgens eine blöde Kuh
Und Federvieh in Scharen,
Sind worden überfahren!

Station wird in Berlin gemacht,
Dann ging es wieder weiter;
Als sie am Ziel Paris, da lacht
Madame vergnügt und heiter:
"Triumph! Triumph! Es ist e r r e i c h t!
Wie wird mir nun so wohl und leicht!
Des P i e r s o n s bin ich ledig!
Gott sei mir ferner gnädig!" - -

Die böse Welt freut der Skandal,
Jedoch dem Psychiater
Ist die Geschichte sehr fatal
Und auch dem Mann und Vater!
Als Belgiens Serenissimus
Empfängt den "Simplizissimus",
Wirft er ihn hin zur Erde,
Mit wütiger Gebärde. -

 

 

 

 

Volkswirtschaftliche Rundschau. In: Das interessante Blatt. 10.11.1904

Die Veittscher Magnesitwerke exportieren aber große
Mengen nach Amerika und daher wäre die Erschließung neuer Lager natürlich nicht ohne Einfluß geblieben auf den Absatz der Magnesitwerke in Amerika. Aber — die Toten reiten schnell! Schon am nächsten Morgen meldeten die Agenten der Werke, daß diese Lager nicht existieren — und daraufhin stiegen die Aktien wieder. Dieses Geschichtchen ist vielfach belacht worden, weil es einmal wieder einen Blick hinter die Kulissen gestattete.

 

Hervorragende sportliche Leistungen. In: Figaro, Sport-Nummer. 10. Juni 1905

"Leonore fuhr ums Morgenroth." (Zu einer Zeit, wo der
F a h r s p o r t sozusagen noch in den Kinderschuhen steckte, eine ganz
bemerkenswerte Leistung.)

     alle Leistungen

 

 

Deutscher Reichstag. In: Czernowitzer Tagblatt 24.2.1905

Handelt es sich hier doch um eine Fülle von Einzelvorschriften, von denen jede einzelne für unser wirtschaftliches Leben von Bedeutung ist und von denen gar viele für Wohl und Wehe ganzer Industriezweige entscheiden. Der deutsche Reichstag aber hat diese Anstandspflicht nicht erfüllt, er hat die Handelsverträge in einer Weise in der zweiten Lesung erledigt, die auf viele Außenstehenden den Eindruck der Würdelosigkeit hervorrufen muß. „Und hurre hurre hopp hopp hopp — gings fort im sausenden Galopp." Die Herren von der Mehrheit konnten ihren Raub gar nicht schnell genug in Sicherheit bringen und es war ihnen unangenehm, daß die Vergewaltigten überhaupt noch zu wehklagen wagten. In einer Art Ulkstiminung hat man nach der Schilderung unseres Berliner Mitarbeiters die Redner gestört und die Verträge angenommen — eine Faschingsstimmung, auf die der Aschermittwoch für das deutsche Volk nicht ausbleiben kann.

 

 

Vermischtes. In: Mittelbadischer Courier 25.7.1905

Das beste wäre für beide Teile, wir schlössen jetzt einen dauernden Frieden zusammen, die Richter in Moabit und ich; dann würde man von uns sagen: Der Dreschgraf und die Richter — Des langen Haders müde — Erweichten ihren harten Sinn — Und schlossen endlich Friede."

 

 

Das unterirdische Berlin. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung 3.11.1905

„Und hurre, hurre, hopp" sausen wir heute — zwar nicht um die Geisterstunde allein und nicht auf gespenstischem Roß, aber fast nicht weniger phantastisch  — auf den Schwingen wunderbarer Naturkräfte bald in luftiger höhe, bald im Schoße der Erde dahin auf unserer Hoch- und Untergrundbahn, als sei dem nie anders gewesen.

 

 

Vermischtes. In: Sächsische Volkszeitung : für christliche Politik und Kultur 18.1.1905

Mein lieber Leser, der du dich bis hierher durchgewunden unter dem Rucksack der alten Lumpensammlerin hindurch, die auch dich einst auf ihren gekrümmten Rücken nehmen wird durch Wildnis, Verzweiflung, Schiffbruch, Menschenfresserei und etliche Schlachtfelder — wenn dir bis jetzt der Schädel noch nicht gekracht hat, dann fragst du dich wohl: „Ja. was will denn der Herr eigentlich sagen? Nur Geduld, „Wenns Herz auch bricht"! Einige Zeilen weiter kommt die Aufklärung.

 

 

Hamburger Fremdenblatt 11.6.1905


Lenore fährt um fünf Uhr früh
Empor aus bangen Träumen;
Es wäre schrecklich, würde sie
Den Extrazug versäumen!
Flugs angekleidet, flugs zur Bahn!
Dort trifft sie ihren Wilhelm an
In neuer heller Hose,
Im Knopfloch eine Rose.

Nun gilt's zu stürmen einen Platz!
Nur Mut! Kühn in die Menge!
Hui! ist das eine wilde Hatz,
Ein Stoßen und Gedränge!
Triumph! Sie steh'n im Wagen fest,
Von allen Seiten eingepreßt,
Wie Hering' in der Tonne -
O süße Pfingsfestwonne!

 

 

Julius fuhr ums Morgenrot von Julius Oppenheimer. Memoiren eines greisen Kindes, Berlin 1902-1906. In: Als hätten wir dazugehört (Hg . Albert Lichtblau)

“Darauf erhielt ich keine Antwort, und auch nicht auf eine Parodie von Bürgers Ballade Leonore, die mit den Worten begann:

  ´Julius fuhr ums Morgenrot
  Empor aus seinen Träumen.
  Bist untreu Mädchen oder tot?
  Wie lange willst Du säumen?
  Sie zog in Gouvernanten-Tracht
  Hinaus in Ungarns Pusztanacht
  Und hat mir nicht geschrieben,
  Ob sie gesund geblieben.´"

 

 

Die ordnungsliebende Leonore. In: Die Bombe, Nummer 42, 1906

Leonore fuhr ums Morgenrot
Empor aus ihren Träumen:
"Ja, Wilhelm, schläfst du denn wie tot,
Ich muss zusammenräumen.
Steh auf, steh auf mein Wilhelm - o!
Es ist halb acht, geh' ins Bureau,
Steh auf. nimm deine Sachen,
Ich muss hier Ordnung machen."

Herr Wilhelm hätt' geschlafen gern
Noch eine kleine Weile.
Er sprach verstimmt: "Hat denn das Kehr'n
Heut' gar so grosse Eile?"
Leonore aber rief: "Ich hab
Beschlossen, dass von heute nab
Aufhör' das lange Liegen,
Man kann Besuche kriegen."

Und hurre, hurre, hopp, hopp, hopp!
'raus muss er, sonst gibt's Keile!
Sie brachte ihm den Kaffeetopp
Und trieb ihn an zur Eile.
Doch kaum war er ums Eck herum,
Ruht sanft das Weibchen wiederum,
Denn schon um Viertel Neune
Kam Leutnant Flink, der kleine.
 

 

Lenore (nach Bürger) von Kory Towska (d.i. Kory Elisabeth Rosenbaum). In: Parodistische Schelmenstreiche. 1906

Lenore fuhr ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen:
"Tuch, Wilhelm, oder Covertcoat?
Mit Steppnaht oder Säumen?"
Sie hatte diese ganze Nacht
Ans neue Herbstkostüm gedacht
Und konnt' sich nicht entscheiden
Für eines von den beiden.

Herr Wilhelm fuhr ums Morgenrot
Herab aus Traumesäther:
"Ja Himmelherrgottschwerenot!
Hat das nicht Zeit bis später?
Da weckst du mich um halber drei?
Nimm eins, nimm keins, nimm alle zwei -
Kurz, was du willst, das tue,
Nur mich laß jetzt in Ruhe!"

Und hurre, hurre, hopp, hopp, hopp!
Zwei Kleider sind zur Stelle,
Schon naht die Rechnung im Galopp:
Die Schneider reiten schnelle.
Zu spät sieht's Wilhelm ein und spricht:
"M i t  H e r b s t k o s t ü m e n  s p a ß t  m a n  n i c h t!"
Des Geldes ist er ledig,
Gott sei seiner Kassa gnädig!

       das Original

 

 

Lenore fuhr ums Morgenrot, Burleske von Martha Kneschke. Berlin: Kühling&Güttner (Album f. Liebhaber-Bühnen; Nr. 430)
      
Personen.

R o b e r t Mischke, Kaufmann.
L e n o r e, seine Frau.
H i r s e m e n z e l, Particulier.
H ä r t e l, Lokomotivführer.
J u l i e, seine Frau.
E g o n S c h m i e r i n s k y, Maler.
B o l l m a n n, Kanzlist.
F r i t z e, Bäckerlehrling.
Eine Semmelausträgerin.
Hausbewohner.

Das Stück spielt auf dem Treppenflur eines Großstadthauses am frühen Morgen eines Herbsttages.

     Die vollständige Burleske
 

 

 

Der Steuergalopp in Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 11.1906

Der Reichstag pumpte ohne Ruh'
Gleich einem Pumpenschwengel.
Er pumpte flott, nur ab und zu
Da redete Herr Stengel.
Sonst hurre, hurre, hopp, hopp, hopp,
Ging's fort in sausendem Galopp,
Daß unten und daß oben
Die Steuern nur so stoben.

Zur Rechten und zur Linken nimmt
Man kaum sich Zeit zu reden.
Heidi, da wird schon abgestimmt!
Und weiter gehn die Fehden.
Hurrah, der Reichstag reitet schnell,
Er zieht uns übers Ohr das Fell.
Des Geldes sind wir ledig.
Gott sei den Bürgern gnädig!

             Frido

 

 

Le Phare de la Loire, 6 avril 1906

LES MORTS VONT VITE
NASCHOD (Bohème). - Le prince Guillaume de Schaumbourg Lippe, est mort subitement d'une apoplexie au cœur.
La princesse Louise, sa femme est également morte ce matin, à la suite d'une maladie de quelques jours.

 

 

Kannte nicht den Abendrot. Heinrich Mayer. Erinnerungen an Otto Erich Hartleben. In: Leitmeritzer Zeitung, 17.01.1906

"Er lebte in seiner eleganten Villa in Salö nicht wie ein Einsiedler. Er sah oft Freunde bei sich, die seinen guten Tisch und Keller rühmen. Lästige beiderlei Geschlechtes wußte er mündlich oder schriftlich abzuschütteln. Darunter waren zahlreiche 'Verehrer'. Der hartnäckigste dieser zumeist harmlosen Leutchen hieß Abendrot, ein Mann judäor-madjarischer Abstammung, der in deutscher Sprache fünf Bändchen Lyrik 'gedichtet' und auf eigene Kosten hatte drucken lassen. Darin besang der poetische Gemischtwarenhändler nicht nur den Frühling und die Liebe (letztere als guter Familienvater in streng sittlicher Form), sondern auch — drei K: Kattun, Käfer, Kistennägel. Sich Abendrot vom Leibe zu halten, gelang dem Verfasser der 'Geschichte eines abgerissenen Knopfes' nicht. In der Folge korrespondierten sie. Jener räucherte Otto Erich so drollig an, daß er eines Dankschreibens gewürdigt wurde. Das dadurch verursachte Glücksgefühl mußte sich notwendig rhythmisch äußern. Abendrot sang:
  'Hundert Jahre sollst Du leben,
  Du, Apoll, heißt recht Hartleben,
  Aber Freunden bist Weichleben!
  Abendröte liebt Ott-Erich:
  Dir mit Leib und Seel' gehör' ich,
  Nur auf Deine Muse schwör ich!'

  Auf dieses 'Huldigungsgedicht' kam aus Salö eine Ansichtskarte mit dem Text:

  Lenore fuhr ums Morgenrot -
  Sie kannte nicht den Abendrot! —”
 

 

Dornburg, Friedrich. Frei nach Büchmann. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung 21.1.1906

Als Privatleute, als angeblich verzankte Vettern (so etwas kommt vor) kann die Welt sie doch unmöglich hinnehmen: ihr Verhalten ist symptomatisch uud gibt zu den Verbrüderungsfesten einen seltsamen Hintergrund. Beschränken wir uns in dieser Lage auf den Zitatenschatz und entnehmen dem vielgeliebten Buchmann diskret den Spruch, den jeder nach seiner Weise auslegen kann:
  „Der König und die Kaiserin, des langen Haders müde,
  Erweichten ihren harten Sinn und machten endlich Friede."
               (Bürgers Leonore.)
Und dann noch das diplomatisch beruhigende: „Soyons amis, Cinna ..!" nach Corneille.

 

 

Im Schöckelhause. In: Grazer Tagblatt 10.6.1906

Aber ach! Nur der Architekt mit seiner Frau war wirklich oben auf dem Plateau; der Rat fuhr ums Morgenrot empor aus schweren Träumen, konnte es aber nicht mehr „dermachen", rechtzeitig hinaufzukommen, und mußte die, für die gegebenen Verhältnisse freilich ungebührlich früh erschienene Sonne vom Fenster aus begrüßen, die anderen — die schliefen wohl weiter!

 

 

Wieder eine Niederlage des Darwinismus. In: Blätter für den Familientisch : Gratisbeilage zum Düsseldorfer Tageblatt 6.5.1906

In wortreichen Ausführungen wird erzählt, wie diese Schmetterlinge im Laufe der Zeiten sich Schutzfarben angezüchtet hätten, um so vor ihren Feinden geschützt zu sein; indem nämlich ihre Flügelfärbung den Blättern, in denen die Schmetterlinge sitzen, zum Verwechseln ähnlich sind, wird der Vogel, der sie erjagen will, irregeführt und der Schmetterling entgeht dem gefährlichen Gegner.
  Indes dis Toten reiten schnell und haben bereits diese schöne Theorie eingeholt. Hat doch die tiefer eindringende Forschung feststellen müssen, daß es Mimikry gibt, die zwar sehr vollendet, aber direkt ganz sinnlos sind.

 

Unlösbare Widersprüche. In: Neues Wiener Tagblatt, 8.3.1906

    Abg. Seitz: Allgemeines Stimmrecht für den Landtag, Inkonsequenz des Reichsratswahlrechtes!
    Abg. Dr. R. v. Grabmayr: Herr Seitz, die Toten reiten schnell, die Regierung noch schneller, aber die Tiroler reiten nicht so schnell! (Heiterkeit.)
    Abg. Seitz: Sie müssen halt voranreiten!

 

 

Besonders knapp war die Werbung für einen Tee. In: Die Zeit 29.11.1906:


“’Leonore fuhr ums Morgenrot empor aus schweren Träumen’— weil sie ihren Indra-Tea nicht getrunken.”

Hier ein Werbeplakat von 1900:
indratea_kl

 

 

Bange Frage. In: Figaro, 27. April 1907

 Der Michel fuhr ums Morgenrot
 Empor aus wüsten Träumen:
 Bin ich lebendig oder tot,
 Will man mich wieder — leimen?
 

 

Nur für Mannevölcher in Nebelspalter 33 (1907)

Mit Leonoren hat man Not und Hühnchen stets zu rupfen,
Denn fahren sie ums Morgenrot, so kriegen sie den Schnupfen.

 

 

Verbene Junkers Liebe; ein Roman, dem toten Oskar Wilde von einem ungenannten Autor gewidmet,1907

"Hoch klingt das Lied von braver Wangel
Wie Orgelton und Kirchgesangel
Wer solchen Muts sich rühmen kann,
Den rühmt nicht Gold, den lohnt Gesang -
Doch Verbene weint auf, ihr letztes Stück Brot,
Sie kann es vor Kummer nicht essen -
Oh! Schwestern bedrücket oft tiefere Not,
Als glückliche Menschen ermessen -
Verbene fuhr ums Morgenrot
Empor aus Monumenten-Träumen -
Editha untreu oder tot?
Was mag sie länger säumen -
Zu Erich, dem Tyrannen schlich
Editha, den Dolch im Gewande,
Sie schlugen die Häscher in Bande.
Was wolltest Du mit dem Dolche, sprich,
Entgegnet ihr finster der Wüterich -
Die Welt vom Tyrannen befrein -
Editha Wangel, ich bin Dein!"

 

 

L'Auto, 14 avril 1907

Le Testament d'un Automobiliste
[…]
Pourquoi prolonger le tourment
Des braves gens que l'on invite ?
Dérapons donc rapidement !
Burger dit vrai : Les morts vont vite !
[…]

 

 

L'Aurore, 21 janvier 1907

Les Morts vont vite.
M.William Busnach vient de mourir. Les morts vont vite, dit Burger, dans sa ballade. Ils ne vont peut-être pas assez vite encore, puisque M. Busnach a eu le temps de couper Madame Bovary en morceaux. Il est vrai que, devant la tombe, la rancune doit se faire silencieuse.
 

 

Politische Wochenschau. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung 12.5.1907

Das bedeutet höchstens für die Abgeordneten eine Annehmlichkeit, läßt aber in keiner Weise erwarten, daß nun die Herbsttagung fruchtbarer sein wird, als die erste Session gewesen ist. Vorläufig weiß man nur, daß der Block nichts geleistet hat. Daß er später etwas leisten wird, dafür fehlt es an jeder Grundlage. So ist „Geduld, wenn's Herz auch bricht" die dürftige Lebensweisheit, die aus der ersten Tagung des Reichstages herausdestilliert werden kann.

 

 

Kaisermanöver 1907. In: Dresdner neueste Nachrichten 13.9.1907

Ich beabsichtige nämlich, hier in Brakel die Nacht zu morgen zu verbringen. Denn heute begann das Manöver um 4 Uhr früh. so daß wir Berichterstatter Höxter um 3 Uhr und unser Bett um 2 Uhr verlassen mußten, bevor noch Lenore ums Morgenrot fuhr.

 

 

Stimmungsbilder aus dem Reichstage. In: Jeversches Wochenblatt : Friesisches Tageblatt 24.11.1907

Durch die Handwerkerdebatte ist der erste Sitzungstag interessanter gestaltet worden, als man dachte. Das übrige Dutzend Petitionen wird gewiß schnell erledigt werden. Und hurre-hurre-hopp-hopp-hopp wirds geh'n in rasendem Galopp.

 

 

Hamburger Fremdenblatt 31.3.1907


Lenore springt um sechs Uhr früh
Heraus aus ihrem Neste;
Ihr blüht diesmal nur Last und Müh'
Am Auferstehungsfeste.
Denn aus dem alten Heim heraus
Zog gestern sie ins neue Haus!
Nun gilt es, ohne Säumen
Bedachtsam aufzuräumen.

Imm Speiseschrank, statt im Salon,
Steht noch die feine Vase;
Der Schiller liegt auf dem Balkon
Mit arg zerschund'ner Nase!
Ein Stiefel liegt im - Kabinett,
Sein Bruder auf dem Bücherbrett!
Auf seid'nem Sofapfühle
Schläft sanft die Kaffeemühle!

Ach, alle Fenster sind noch kahl!
Ob passen die Gardinen?
Des Umzugs Aergernis und Qual
Malt sich in Lores Mienen.
Das "Ziehen" in der Osterwoch'
Bleibt lange im Gedächtnis noch
Der Lore und den andern,
Die gleichfalls mußten wandern.

 

 

Bülow im Ulk. In: Lüdenscheider Tageblatt : Organ der Fortschrittlichen Volkspartei, 5.8.1907

Das Berliner Witzblatt widmet dem Kanzler folgende "Zahnschmerz-Ballade":

Fürst Bernhard fuhr ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen.
"O Fürstin“, rief er, „welche Not!“
Ich möcht vor Schmerzen schäumen!
Es hat die ganze lange Nacht
Im Kiefer mir so wüst gekracht,
Gebohrt, rumort, gerissen;—
Wieso? Das möcht' ich wissen!"

So stöhnte er und rief: „Au, Au!“
Und wies sich seiner Ollen,
Und richtig, in der Tat, schau, schau:
Der Kanzler war geschwollen!
Kein Wunder, denkt hier wohl manch' ein
Wenn etwas wie Geschwollensein
Nach so viel großen Werken
Beim Bülow ist zu merken.

„Autsch!“ schrie er,„wie das kocht und braut
Im Zahnfleisch mir, im losen!
Ich fahr',“ so schrie er,„aus der Haut!"
Und fuhr in seine Hosen,
Und sprach:„Es wird von Nutzen sein,
Zu ich mir etwas Watte ein.
O holt, die ich begehre,
Vom nahen Wattenmeere.“

Doch ach, es brennt, doch ach, es zuckt
Stets weiter ohne Ende,
Es machte den Fürsten ganz verruckt,
Er klettert aus die Wände
Und brüllt zuletzt in Raserei:
„Ich mache fort aus Norderney!
Auf nach Berlin, wo nisten,
In jedem Haus Dentisten.“

So nahm er einen Extrazug—
Aus seiner Kognakflasche
Und rutschte, wimmernd noch genug
Mit seiner Reisetasche
Direkt zum Zahnarzt nach Berlin
Dort saß er in der Offizin
Im Stuhl mit schräger Lehne
Und zeigte ihm die Zähne.

Der Doktor sprach zuerst einmal:
"Das Mundwerk ist nicht ohne!“
Dann fuhr er mit gewärmten Stahl
Dem Kanzler an die Krone.
„Verflucht!“ rief Bernhard, „das tut weh'!“
Der Dokter aber sprach: „Ich seh',
Wie dieser Mensch frivol ist!)
Das, was bei Durchlaucht hohl ist!“

Und kratzte nun und schabte nun
Und trat sein Schnurrerrädchen,
Und Bülow, unser Reichstribun,
Ward blaß bis an die Wädchen.
„O fassen Durchlaucht sich ein Herz!
Jetzt nehm ich Gold und berg' das Erz
Ins Loch, das ich gegraben —
Dann soll'n Sie Ruhe haben!"   

Da ward der Bernhard hoch erfreut
Und hüpft auf seinem Sitzchen:
„Erzberger nenn' ich Sie seit heut!"
Das war ein gutes Witzchen.
Doch ernster fügte er hinzu:
„O sagen Sie mir, was ich tu',
Um solcher Zahnbeschwerden
Nicht Opfer mehr zu werden?"

Der kluge Doktor sprach sofort:
Ihr Schmerz ist daher 'kommen,
Daß Sie so oft ein zuckrig Wort
In Ihren Mund genommen.
Es brachte Ihnen Qual und Leid
Die angebor'ne Süßigkeit —
Ja, ja, wenn die nicht wäre!
Adieu! Ich hab' die Ehre...“  F. E.
 

 

 

 


  

 

 

Burleske "Lenore"

"Carmen" in der Grossen Frankfurterstrasse. In: Berliner Tageblatt, 26. Juli 1908

“Wenn der teure Name Carmen an einer Plakatsäule prangt, erspähen wir ihn jedesmal, auch im raschesten Vorübergehen. [...] Und mancher läuft ihr sogar nach bis hinaus zur Großen Frankfurterstraße, zu dem dramatischen Warenhaus des Herrn Bernhard Rose. Dort gibts Erschütterungen im Ramsch für den kleinen Mann, und der Genuß ist hier billig zu haben. Für dreißig Pfennig und fünfzig Pfennig können wir von nachmittag um 5 Uhr bis um Mitternacht dasitzen, mit offenem Mund, Ohr und Auge Konzert und Variéte, Oper, Ballett, Lustspiel und Tragödie genießen. Zwischen Walzern und Märschen gibts "Lenore fuhr ums Morgenrot" - eine Burleske, in der eine Lenore und ein Lokomotivführer vorkommt. Mehr sag' ich nicht.”

 

 

Misunderstandings. In: Dubuque Telegraph-Herald 2.2.1908

Much misunderstanding is created in school children by cramming their heads with stuff that is too deep for them. The first "piece" I spoke at the old Third Ward school was about ambition creeping thru a man's window at night and keeping him awake, etc. From this I got the idea that Ambition was one of the very worst criminals who ought to be at least hanged, drawn, quartered, and boiled in oil, and even long after I got to know better, it was only with the greatest difficulty that I shook off the first false impression. When I went to German school, I had to declame Buerger's poem which begins:
 Lenore fuhr um's Morgenroth
 Empor aus schweren Traeumen.
Like other school-children I made a stop at the end of each line and puzled my brain wondering whether Lenore circled 'round the dawn in a buggy, sail-boat, or ballon. It would have saved me a good deal of hard thinking had I then know Walter Scott's translation which reads:
  From heavy dreams fair Helen rose
   End eyed the dawning red.

 

 

Lucanus In: Lustige Blätter: schönstes buntes Witzblatt Deutschlands 23.1908

Der Kanzler geht ums Morgenrot
Auf seiner Insel baden
Und spricht dabei: Lucanus tot!
Mir wird er nicht mehr schaden;
Ganz ähnlich sagt auch Herr v. Schön,
Zurzeit in Berchtesgaden:
Lucanus mußt’ von dannen geh’n,
Mir wird er nicht mehr schaden.
Auf Hohenfinow Bethmann weilt,
Man liest in seinen Zügen:
Lucanus ist davongeeilt,
Mich wird er nicht mehr kriegen.
Herr Krätke wandert in Tirol,
Wo Alpenveilchen reifen,
Und denkt dabei, wie ist mir wohl,
Mich wird er nicht mehr greifen.
Herr Breitenbach am Rigi sitzt.
Da meint er unverholen,
Lucanus ist veschwunden itzt,
Mich wird er nicht mehr holen.
Rheinbaben weilt nicht weit von Tölz
Bei steilen Felsenzacken
Und flötet dort mit zartem Schmelz:
Mich wird er nicht mehr packen.
Herr Sydow ist am Weißenstein,
Er schwelgt in allen Himmeln,
Und bei Lucanus fällt ihm ein:
Mich wird er nicht mehr wimmeln.-

Herr Valentini offiziell
Will ihnen Frieden gönnen;
E r  ü b t  z u  H a u s e  a m  M o d e l l,
 Z u m  H e r b s t   w i r d   e r’s  s c h o n  k ö n n e n!
 

 

Phantasiestück in Nebelspalter, 34 (1908)

Lenore fuhr ums Morgenrot,
Benzin belebte die Kiste.
Gottlob der Dichter Bürger ist todt,
Wenn der den Frevel wüßte!

 

 

L Administration a toute Vitesse.In: Le Petit Provençal

l_administration_a_toute_vitesse_1908

 

 

Les obséques de Mlle Subra in: L'Écho de Paris, 26 aoút 1908

Les obséques de Mlle Subra ont eu lieu, hier matin, au temple de la rue Roquépine, au lilieu d'une affluence restreinte.
 Hélas! si les morts vont vite, on oublie encorte plus vite.

 

 

Der Pestfriedhof. In: Allgemeiner Tiroler Anzeiger 2.6.1908

Sie schneidet die Ausstattung für die erste Ruhestätte des Menschenkindes, sie schneidet für sein letztes enges Haus „sechs Bretter und zwei Brettchen":
  „Denn nimmer ist sie träge,
  Die Säge, Säge, Säge."
Friedhof der Unbekannten, vergessene, verlassene, namenlose Gräber!

 

 

Sozialdemokratischer Parteitag. In: Jeversches Wochenblatt : Friesisches Tageblatt 22.9.1908

Singer hofft, daß diese Resolution eine neue Waffe sein werde, die Jugend im Geiste des Sozialismus zu erziehen, damit die Arbeiterjugend dereinst befähigt sein werde, weiterzuarbeiten an der Befreiung des Proletariats. Dann geht's hurre-hurre-hopp-hopp-hopp über ein Riesenfeld von Anträgen, Organisation, Presse, Literatur betreffend.

 


Schuhcremewerbung. In: Badische Presse : Generalanzeiger der Residenz Karlsruhe und des Großherzogtums Baden, Abendausgabe 15.10.1908

gentner_1908   Margarete stieg ums Morgenrot
   Vergnügt aus ihrem Bette:
   „Nun hat es weiter keine Not,
   Wenn ich sie nur schon hätte!"

   Sie hatte grad im Traum gesehn,
   Wie „Kentners Wichse“ schnell und schön

   Den Stiefeln Glanz verleihet,
   Das ist's, was Grete freuet.

                                        Gentners Wichse in roten Dosen
                                         ist überall zu haben.
         Fabrikant: Carl Gentner, Göppingen.

 

 

Bar in St. Pauli In: Hamburger Fremdenblatt 27.2.1908 

hamburger_fremdenblatt_27_02_1908_bar

 

 

 Ferienfreuden. In: Hamburger Fremdenblatt 2.8.1908
.
(Frei nach Bürger.)

Der Vater fuhr ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen;
Ach! Heut' beginnt die Reisenot,
Er darf nicht länger säumen!
Die Frauen sind aus Rand und Band;
Die Mutter klopft schon an die Wand,
Schnell springen um die Wette
Die Töchter aus dem Bette.

Die Mutter läuft wohl hin und her:
"Geschwind, Ihr lieben Kinder!
Der Wagen kommt präzise sehr,
Geschwinder nur, geschwinder!"
Ach, Mutter, Mutter! Sieh' doch mal!
Hier fehlt ein Knopf, das ist fatal!"
"Laß fehlen, Kind! Laß fehlen!
Das darf uns jetzt nicht quälen!"

"Hilf Gott! Da kommt der Wagen schon!
Mein Hut! Mein Schirm! Mein Kragen!"
"Geschwind" Die Zeit ist rasch entfloh'n!
Nur vorwärts! In den Wagen!" -
Und Vater, Mutter, Töchterlein,
Nachtreibend um die Wette schrei'n,
Der Kutscher muß zum Wagen
Die schweren Koffer tragen.

"O, Mutter! Das ist Seligkeit!
So in die Welt zu wandern!
Und jeden Tag ein neues Kleid, -
Wie ärgern sich die andern!"
So schwatzte wohl das Töchterlein
Und lachte froh und hielt nicht ein,
Bis in den hohen Bogen
Des Bahnhofs sie gezogen.

"Hallo! Hallo! Tut auf die Tür!
He, Schaffner! Zweite Klasse!
Wir sind g'rad fünf Personen hier;
Nur nicht so mit der Masse!"
"Hinein, mein Herr! Nur hier hinein!
Das wird wohl g'rade passend sein.
Schnell! Nur nicht lange streiten!
Es fängt schon an zu läuten!"

Die Jüngste schürzte, sprang und schwang
Sich auf den Tritt behende, -
Bald saßen alle, Gott sei Dank!
Das Drängeln hatt' ein Ende!
Und hurre, hurre, hop, hop, hop!
Ging's fort mit brausendem Galopp,
Daß Wald und Wiesen flogen
In meilenweitem Bogen.

Wie flog es rund im Sonnenschein,
Wie flog es in die Ferne!
Und Vater, Mutter, Töchterlein,
Sie sahen es so gerne.
"Die Sonne brennt so heiß, so hell!
Hurra! Wir fahren aber schnell!
Wie drehen sich die Achsen!
Nun sind wir schon in Sachsen!"

"Station!" Der Schaffner ruft's. Hinaus
Geht' in die große Halle!
O je, o je! Wie seh'n sie aus!
Verstaubt, verschimmelt alle!
"Ach Gott! Mein neues Kleid! Nur schnell
Zum Wagen und dann zum Hotel,
Daß wir uns restaurieren, -
Man muß sich ja genieren!"

Und Vater, Mutter, Töchterlein,
Zum "Roten Adler" geh'n sie,
Quartieren sich vier Wochen ein,
Zu leben ja versteh'n sie.
Vier Wochen ging's in Saus und Braus,
Dann bat man sich die Rechnung aus.
Des Vaters Herz, mit Beben,
Rang zwischen Tod und Leben!

Die Mutter sucht ihr Port'mannaie
Und stellt's ihm zur Verfügung.
Wer hätte das gedacht, o weh!
So teuer die Vergnügung? !
Berapp', berapp'! Wenn's Herz auch bricht!
Doch mit dem "Ober" handle nicht!
Des Geldes bist du ledig;
Gott sei der Rückfahrt gnädig!  j.
 

 

 

Frau Riemer fuhr ums Morgenrot. In: General-Anzeiger für Duisburg, Ruhrort, Meiderich und Umgegend. 22.8.1908

Nach all den Hiobsposten, den vielen Unglücksnachrichten der jüngsten Zeit ließ man sich anläßlich der Begnadigung Voigts gerne wieder an die urkomische Posse des "Hauptmanns von Köpenick" erinnern . . . .

Frau Riemer fuhr ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen:
„O Willem! Willem! Schwerenot!
Wie lange willst du säumen?
Komm' dalli, hurre, hopp, hopp, hopp,
Zu mir in sausendem Galopp!
Laß mich ans Herz dich pressen!
Hast lang genug — gesessen!“

Nach ein paar Stunden stand er da
Vor seinem treuen Bräutchen.
Welch Wiedersehn! Viktoria!
Laut jubelten die Leutchen!
Sie kochten gleich dem lieben Wicht
Köpnicker Kraut, sein Leibgericht.
Der lang war eingespunden,
Ließ sich's vortrefflich munden.

Und überall, allüberall.
Auf Wegen und auf Stegen,
Zog Alt und Jung mit Jubelschall
Dem W i l h e l m V o i g t entgegen.
"Begnadigt?! Frei! Wir wünschen Glück!
Heil dir, Hauptmann von Köpenick!"
So rief des Volkes Menge
Zu Rixdorf im Gedränge.

Deß genialer Schelmenstreich
Berühmt in allen Landen:
Der größte Schalk im ganzen Reich
Ist wieder auferstanden!
Man freut sich dessen weit und breit,
Denn u n g e h e u r e H e i t e r k e i t
Verdanken viele, viele
Des Schusters tollem Spiele.

Gesorgt ist für den „Hauptmann“ gut;
Er braucht nicht mehr zu plündern,
Kann leben flott, mit frohem Mut,
Gleich andern alten Sündern.
Mit seiner Freiheit ist's, o Graus,
Jedoch wohl bald schon wieder aus,
Denn ihn erwartet, wehe!
Die D a u e r h a f t der E h e!

Was er nun unternehmen wird?
Zunächst schreibt er M e m o i r e n.
Gern dingte ihn ein Brettlwirt
Zu höchsten Honoraren.
An Angeboten, reich und groß,
Fehlt's nicht; er braucht zu wählen bloß,
Ihm öffnet viele Pfade
Die Köpenickade.

O großer „Hauptmann“, sei nicht dumm
Und laß dich nicht verleiten
Und schmäl're nicht dein Heldentum
Durch eitle Albernheiten!
Genieße s t i l l dein spätes Gtück,
Berühmt als Held von Köpenick
Und aller Schelmengeister

 

 

 

 

 

 

Die Paragraphenreiter im Galopp in Kikeriki 26. Dezember 1909

- Das Herrenhaus hat die lex Kramarz aber rasch beschlossen. Woher dieses Tempo?

- Ja, ja, die Toten reiten schnell!

 

 

Jakobsen, Friedrich. Die Furcht. In: Jeversches Wochenblatt : Friesisches Tageblatt 16.7.1908

„Ich komme aus dem neuen allgemeinen Krankenhause, Esther."
   „Was hast Du denn da zu suchen?-"
   „Eigentlich nichts, indessen — das Handwerk grüßt sich. In der verflossenen Nacht wurde dort ein Arbeiter eingeliefert — Kähler heißt er — und vor einer Stunde ist er gestorben. Die Toten reiten schnell."
   Nun wurde auch Max aufmerksam.
   "Ein besonderer Fall, Egon?"
   „Cholera."
   Körner zuckte die Achseln.

 

 

Seifenreklame in LE JOUR DES MORTS in Le Petit Marseillais, 2 novembre 1909

seife-1909

Les morts vont vite, hélas ! Mais leur souvenir reste.
Le temps les sanctifie à l'ombre des cyprès
Et nous sentons leur âme et leur cœur et leur geste
En sentant le savon le Petit Marseillais

AUZIERE Alné. Bureaux : 4, place du Change, Marsaille.
Envente ch.t.l. Parfumeurs, Coiffeurs, Gds Magasins, Merciers

                 Erläuterung

 

 

L'Avenir des Hautes-Pyrénées, 18 jullet 1909

La Société des fêtes doit être décédée ; la pauvrette ! Personne n'en parle plus ! Comme les mortes vont vite !

 

 

La Libre Parole, 12 septembre 1909

En Amérique, l'automobilisme a conquis...les pompes funèbres. Et le corbillard automobile « fait du vingt à l'heure », ce qui passe encore pour une allure très modérée. Qund il écrase un badaud, l'entreprise n'en marche que mieux : c'est un client de plus pour la maison. Business is business.
   Les morts vont vite, outre-mere !

 

 

Das Schak’sche Dreieck. In: Volksfreund : Tageszeitung für das werktätige Volk Badens 9.9.1909

Sittenstrenge Literarhistoriker pflegen nicht wenig über den Dichter Gottfried August Bürger zu schmähen, dessen Verhältnis zu seiner Frau Dorette und ihrer Schwester Molly, wie wir lesen, allen guten Sitten Hohn sprach. Aber wie spießbürgerlich solide, wir hätten beinahe gesagt ehrpusselig, mutet dieser Dreiklang der guten alten Zeit an gegenüber dem Triolentum der neuen Aera! Man hielt zueinander, rieb sich in Leidenschaft und Verzweiflung aus, bis der Tod den unentwirrbaren Knäuel in tragischer Weise löste. Der Fall Schack wirkt nicht tragisch, sondern nur im höchsten Grade skandalös. Das Neueste vom Neuen! Dieses Ehepaar, das durch Inserat ein gemeinsames Reiseverhältnis sucht, schlägt selbst den Eulenburg-Rekord. Und genau wie in den Eulenburgaffären nicht die Tatsache der Perversität selbst , sondern die Ausnutzung sozialer Machtverhältnisse zur Befriedigung perverser Gelüste, das eigentlich und unbedingt Verdammungswerte war, genau so liegt es im Falle Schack.

 

 

Spielhagen, Fr. Problematische Naturen. In: Volksfreund : Tageszeitung für das werktätige Volk Badens 17.11.1909

Und nun gar, wenn der Winter so lang und so hart war, daß er uns unsere Kraft unwiederbringlich geraubt hat und wir nicht hoffen dürfen, bis in den Sommer hinein zu leben!
   Die Toten reiten schnell! Sie haben es in Paris gesehen!

 

 

Wochenplauderei. In: Hamburger Echo 1.5.1909
Maifestabenteuer des "Nachrichten"-Hübbe.
Ahnungsvoll besungen von mir.

Herr Hübbe fährt ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen:
"Der erste Mai! - Schockschwerenot!
Da darf ich nicht mehr säumen!"
Herr Hübbe steckt die Maikart' an
Und stürzt sich auf die Straßenbahn;
Elektrisch fährt man schnelle:
Herr Hübbe ist zur Stelle.

Bald schleicht den Zug er auf und ab
Und spitzt die langen Ohren;
Bald setzt er sich in Hundetrab
Und schwitzt aus allen Poren.
Herr Hübbe ist ein Journalist,
Dem keine Müh' zuwider ist,
Wenn sich der kleinste Happen
Läßt irgendwie erschnappen.

Herr Hübbe auf dem Festplatz steht
Und hat noch nichts erschnüffelt;
Ach Gott, wenn es nicht besser geht,
Wird er vom Chef gerüffelt.
So späht Herr Hübbe rings umher,
Ob gar nichts denn zu merken wär'
Von Dynamitverschwörung
Und Aufruhr und Empörung.

Doch sieh! Das kleine Bretterhaus
Muß bösen Zwecken dienen;
Da gehen Männer ein und aus
Mit unheilschwangern Mienen.
Herr Hübbe merkt: Hier geht es los,
Denn hierin kommen Männer bloß;
Hier wird von den Genossen
Der Umsturz heut' beschlossen.

Der kühne Hübbe zaudert nicht,
Steigt auf das Dach mit Mühe ...
Herrjeh! Die Asphaltpappe bricht
Und er liegt in der Brühe.
Doch als ein rechter Journalist
Herr Hübbe nicht verlegen ist;
Er schreibt mit schmutz'gen Pfoten:
"Ein Bubenstück der Roten."


 

Kompteß Leonore. In: General-Anzeiger für Dortmund und die Provinz Westfalen, 16.4.1909

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Bosnien - serbisch? In: Grazer Volksblatt, 16.6.1910

 Da bleiben als Opposition eigentlich nur mehr einige „fanatische Katholiken" mit Erzbischof Dr. Stadler übrig, und dieser wird man doch Herr werden! So ist nun das junge Staatsroß der Monarchie in sicheren Händen und die Brautfahrt kann beginnen; wie wird sie aber von statten gehen? „Der Mond scheint hell, Hurra! Die Toten reiten schnell!"

 

Die Testamentseröffnung. In: Arbeiter-Zeitung, 20. März 1910

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1.
Weiskirchner fuhr ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen:
„Bist untreu, Richard, oder tot,
Wie lange willst du säumen?"
So hatte ihn um Mitternacht
Ein düsteres Gespenst gefragt,
Das greulich ihm erschienen
Mit unheilvollen Mienen.

4.
Weiskirchner sprengt davon behend
Und eilt mit Windesschnelle
- Ist schon Ministerpräsident —
Zur Bankdirektorstelle
Und hurre, hurre, hopp, hopp, hopp!
Geht's fort in sausendem Galopp.
Es häufen sich Pensionen
Zu runden Millionen.

2.
Tags drauf dann im Parteilokal
Gab's lebhafte Debatten:
„Das Soziblatt - das ist fatal —
Hat unsern Pakt verraten."
So rief Weiskirchner grimmerfüllt,
„Mein Hunger bleibt nun ungestillt.
Mein Hunger nach Millionen,
Ich muß im Rathaus wohnen."

5.
Ganz ähnlich ist des Geßmann Fall,
Auch er ist flink zu Pferde.
Nun ist er gar schon Landmarschall,
Blickt stolz auf seine Herde.
Auch des Gefolgsmann's dürrer Gaul,
Zur Aemterjagd ist er nicht faul.
Und Roß und Reiter schnoben
Und Kies und Funken stoben.

3.
Der Geßmann drauf: "Was, Testament:
Da läßt sich schon was machen.
Fix Himmellaudon Sapperment,
So ekelhafte Sachen,
Die kriegt man los mit Eleganz,
Wir haben einen Strohpopauz,
Der hält dir Platz. Auf Ehre!'
Indes macht man Carriere."

6.
Zwei Jahre sind vorüber knapp
Vom Bürgermeisterstuhle
Steigt ohne Sang und Klang herab
Der sanfte Porzer Schmule.
Weiskirchner. der jetzt saturiert,
Nun gerne Bürgermeister wird.
Der Sorgen völlig ledig.
Nimmt er den „Tinef" gnädig.


 

Ein Traum von E. v. Richter-Mocz. In: Der Floh 1910

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Rez. Deutsche Städtebilder in Neue Freie Presse, 10. Dezember 1910

In einer dunklen Ecke vor dem Hause gab des reichen Bürgers Evchen dem Junker Walter Gelegenheit zu Gekose und Liebeständeleien, die nur der Nachtwächter störte. Leonore fuhr ums Morgenrot, wie B ü r g e r singt, empor, denn Wilhelm war gezogen in die Prager Schlacht und hatte nicht geschrieben, ob er gesund geblieben. Und wie lange mag Leonore nach der guten alten Postschnecke ausgeschaut haben, die ihr allein Nachricht bringen konnte. Wie alles anders heutzutage. Dem Bürger leuchten durch die ganze Nacht Laternen auf seinem Heimwege. Das Wasser der Leitung quillt aus dem Rohre in jeder Küche. Hans schreibt seiner Grete parfümierte Liebesbriefe. Evchen telephoniert an den schmucken Junker Walter und Leonore liest ums Morgenrot in der Zeitung das Schicksal, das ihrem Wilhelm widerfahren, und wenn er selbst in die Seeschlacht von Tschuschima gedampft wäre.
 

 

"Fall' ab, du ird'scher Tand!" In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung 5.5.1910

Cheristane war pflicht- und arrangementsgemäß auf die linke Bühnenseite getreten, der biedere Garderobier hatte sich aber zwanzigjähriger Gewohnheit zufolge das rechte Reißloch geöffnet, und als Cheristane links flötete: „Fall' ab, du ird'scher Tand!" fiel, erstens der ird'sche Tand durchaus nicht ab, sondern rechts "geschah ein gräßlich Wunder", wie es in Bürgers Lenore [tatsächlich Der wilde Jäger] heißt.
  Denn, um weiter mit Bürger zu reden:
     "Aus der Erd' empor — Hu! Hu !
     Fuhr’ eine schwarze Riesenfaust,
     Sie krallt sich auf, sie krallt sich zu."
Dies gewahren und geflügelten Laufes an die altgewohnte Stelle eilen, war für Cheristane nur ein Augenblick.
 

 

Frühlings-Scheuerfest. In: General-Anzeiger für Dortmund und die Provinz Westfalen, 29.4.1910

Herr Meier fuhr ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen:
„Ach! Heut beginnt die Scheuernot
In allen Wohnungsräumen!
Die Frauen stehen schon bereit, —
O weh! Nun wird's die höchste Zeit!
Sie haben kein Erbarmen!
O weh'! O weh’, mir Armen!“

Und überall, allüberall,
In Stuben und in Kammern,
Rauscht bald der reinste Wasserfall, —
Es ist ein Bild zum Jammern!
Die Fenster sind gardinenleer,
Die Möbel fliegen hin und her,
Es putzen Weiberhände
Die Decken und die Wände.

„O Mutter!“ ruft die Tochter aus,
„Jetzt kann ich's mit dir fühlen!
Welch' eine Lust, im ganzen Haus
So frei herumzuwühlen!
Wer nie so ganz dazwischen fährt,
Das Unterste nach oben kehrt,
Der kann doch hier auf Erden
Gewiß nicht selig werden!“

Da wütete Verzweiflung
Wohl in Herrn Meiers Adern;
Er stürzt hinaus mit wildem Sprung
Mit Poltern und mit Hadern.
Im Wirtshaus macht er Halt und trinkt,
Bis daß die Sonn' im Westen sinkt,
Dann sieht man mit den andern
Nach einer Bar ihn wandern.

Und dort, wo seine Heimat ist,
Da gießt es, wie in Strömen,
— Sie gönnen sich nicht Ruh' noch Frist,
Den Kaffee einzunehmen.
Es klatscht und zischt in jedem Raum
Die nasse Flut, der Seifenschaum,
— Schon dringt es durch die Decken,
Der Nachbar sieht's mit Schrecken.

„Laß sausen, Kind, die braune Flut!
Laß sausen doch, laß sausen!
Es tut den harten Dielen gut
Das Scheuern und das Brausen!
"Und klitsche, klatsche! Kalt und heiß
Ging's immer weiter, eimerweis’,
Als gelt's, für hundert Meilen
Beim Scheuern zu verweilen.

Was klang dort für ein scharfer Klang?
Was klapperten die Splitter?
Der große Spiegel — ach! — zersprang!
Hilf, Himmel! Das ist bitter!
Vielleicht war auch sein Glas schon morsch
Hurra! Die Frauen scheuern forsch!
Gibt's Splitter auch und Trümmer,
Da geht's noch um so schlimmer!

Die Nacht ist kurz! — Der Hahn schon ruft!
Kurz war die Ruhepause.
„He, Mann! Ich witt're Morgenluft!
Nun kommst du erst nach Hause?" —
„Sei stille, Frau! Auch in der Nacht
Hab' ich dir'n Kuchen mitgebracht!
Wie steht's mit meinem Zimmer?
Hup! Scheuerst du noch immer?“

Da blickt die Frau ihn strafend an:
„Das ist ein netter Kuchen!
Auf deinem Zimmer, lieber Mann,
Hast du noch nichts zu suchen!
Geduld! Geduld! Wenn's Herz auch bricht!
Wir Frauen überstürzen nicht!
Sorg' du nicht im geringsten!
Es glänzt wie neu — zu Pfingsten!“

 

 

 

 

 

nach oben      79/ 20.12.2023

 

1911-1920

 

Liebe Jugend! In: Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 16.1911, Band 2 (Nr. 27-52)
Seite: 970

Wir sollten einen Aufsatz über Bürgers "Lenore" schreiben; der Seminarlehrer diktierte und folgende Disposition:

Lenore v o r, w ä h r e n d und n a c h dem Ritt.

 

 

La Croix, 18 juin 1911

Les morts vont vite
De la Dépêche de Toulouse, nouvelles du Maroc :
« Une mitrailleuse mise en action tua une douzaine d'agresseurs qui se retirèrent en désordre. »
Et sans doute au grand galop.

 

 

Politische Wochenschau. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Morgen-Ausgabe 10.9.1911

Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht, das ist leider noch immer die Parole. Dabei sollte man eigentlich meinen, daß nun die Dinge genügend geklärt seien. Der Verzicht des Deutschen Reichs auf politische Vorrechte in Marokko und das Zugeständnis, daß Frankreich eine Residentur in Fez einrichten darf, bedeuten eine so erhebliche Annäherung an den französischen Standpunkt, daß man das Feilschen der französischen Regierung um die w i r t s c h a f t l i c h e n  R e c h t e d e r  D e u t s c h e n i n M a r o k k o nicht versteht.

 

 

Die armen Gräfinnen. In: Neues Wiener Journal 16.7.1911

Ein paar Tage wenigstens gehörte der Fürst zu dem Liebeshofstaat der Wiener Sängerin. Sie war freilich nicht exklusiv auf Fürsten und Grafen versessen, sie konnte auch mit einem Sektionschef intime Beziehungen pflegen, und wenn sie gnädiger Laune war, durfte sich sogar ein unbedeutender Theatersekretär dieser Gnade erfreuen. In all der "Flucht der Erscheinungen" aber war e i n "Bleibender", und das war der Sohn eines gleichfalls regierenden deutschen Souveräns, eines Kurfürsten, der den Grafentitel führte. Wilhelm hieß er, und sie war zwar nicht seine Leonore, aber seine Luise, und sie fuhr ums Morgenrot sehnsüchtig auf, wenn er tagsvorher nicht dagewesen war, ungeduldig harrend, ob er denn nicht heute kommen werde. Ihn liebte sie wirklich und wahrhaftig, und sie bewies es ihm zu wiederholten Malen durch das reellste Beweismittel —- durch Z a h l e n.

 

 

Das Lorle von Heilbronn. In: General-Anzeiger für Dortmund und die Provinz Westfalen 24.11.1911

Eine Erdbeben=Ballade, frei nach Bürger.

Lenore fuhr halb 11 Uhr nachts
Empor aus holden Träumen.
Rings in der Stube bebt's und kracht's,
Es lärmt in allen Räumen,
Die Erde wankt, es hüpft das Haus,
Das Lorle fällt zum Bett heraus
Nebst Kissen und nebst Decken
Und schreit in Angst und Schrecken:

„O Herrgöttle von Biberach!
Was soll des alles heiße?
Tu Einhalt do' dem Erdlekrach
Und dem Zusamme' schmeiße!“
Und schnell schlüpft sie in Rock und Schuh
Und rast voll Angst dem Ausgang zu,
Ins Freie, auf das Sträßle:
Dort trifft sie schon fünf Bäsle.

Dort trifft sie andre Nachbarn noch,
Die alle auch sich bangen;
Ringsum aus jedem Ausgangsloch
Entsetzt die Menschen sprangen.
Hui! Hurre, hurre, hopp, hopp, hopp,
Entflohn in sausendem Galopp
Die Männer, Frau'n und Kinder,
Die Frommen und die Sünder!

Auch Lorle's Schatz, der Balduin,
Erschien bald auf der Straße:
Er eilt zu seiner Braut gleich hin,
Umarmt sie voll Ekstase;
Doch wie er näher sie beschaut,
Wankt er zurück: ihm graust und graut;
Aufschreit er:„O wie gräßlich!
Wie bist Du heut so häßlich!“

Die Lore hatte — wirr im Kopf—
Vergessen ihre — Zähne,
Desgleichen ihren schönen — Zopf
Und ihre — Vordermähne!
Nun stand sie da so rattenkahl
So ruinös! O wie fatal!
Es fehlte der Visage
Die nötige Staffage!

Der Jüngling traut den Augen kaum:
"Hab ich denn recht gesehen!“...
Er eilt von dannen wie im Traum
Und läßt sein Bräutchen stehen.
Er segnete die Schreckensnacht,
Die ihn bewahrt vor Unbedacht,
Vor einer schlimmen Heirat!
Fort floh er auf dem Zweirad.

Und Lorle schluchzt:„Hin ist hin!
Verloren ist verloren!
Fahr wohl, geliebter Balduin!
O wär' ich nie geboren!“
Zurück kehrt sie ins wanke Haus
Und ruft dabei noch jammernd aus:
„Des Mannes bin ich ledig!
Gott sei mir Armen gnädig!“

 

 


 

 

 

Lenore. In: Neues Wiener Tagblatt, 25, Dezember 1912

Lenore fuhr ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen:
Bist punktfrei, Wilhelm, oder nicht?
Wie lang willst du noch säumen?
Er war, dieweil sein Liebchen harrt,
Gezogen mit zur Alpenfahrt,
Und hatte nicht geschrieben,
Ob punktlos er geblieben.

Die Mutter bracht das Abendblatt
Mit Kummer in den Mienen;
Lenore griff danach mit Hast:
Steht auch von ihm was drinnen?
Doch jäh entsank das Blatt der Hand,
Denn schwarz auf weiß geschrieben stand,
Es habe Wilhelms Wagen
'nen Punkt davongetragen!

Da hat die falschen Locken sie,
Vom Kopfe sich gerissen:
Nun mag ich von dem öden Tropf,
Dem faden, nichts mehr wissen!
O punktbehaftet! welche Schmach,
Die Leute rufen einem nach,
Kann nimmer auf der Straßen
Mit ihm mich sehen lassen!

Die längste Zeit zuwider schon
War mir der grobe Lackel
Mit seiner schäb'gen Voiturett',
Hat ausg'schaut wie ein Dackel.
Den Laufpaß kriegt er auf der Stell',
Dann schreib' ein Inserat ich schnell
Und such mir einen Kavalier
Mit einer Limousine dafür!

 

Korrespondenz der Redaktion in Wiener Hausfrauen-Zeitung 1912, S. 354

Stephanie in St. .. ch . Natürlich erregt es Interesse, daß eine Wienerin um Fahrlizenz als Chauffeurin einkam. Das Ereignis bildet einen reichen Stoff für den Humor. Unter andern. An Stelle der Sorge um V o l a n t s für Toiletten tritt die für „V o l a n t s" am Auto. Viele Damen werden jetzt A u t o-d i d a k t i s c h gebildet sein. In den frühesten Morgenstunden wird man Autos finden, denn Frauen pflegen früher aufzustehen als Männer, so zum Beispiel „L e o n o r e  f u h r  u m s  M o r g e n r o t". Diese Musterkollektion soll Ihnen genügen.

 

 

K. Lenore in der höheren Töchterschule. In: Karlsruher Tagblatt, Zweites Blatt 1.3.1912

Gegen eine böse Verstümmelung, die Bürgers Ballade „Lenore"in einem Lesebuch für höhere Töchterschulen erfahren hat, zieht ein Oberlehrer in einem Artikel in einer Berliner Zeitung zu Felde. In der „verbesserten Fassung" verkündet der tote Held seinem Liebchen, daß er „noch hundert Meilen mit ihr zur 'Hochzeit' eilen" muß, anstatt daß er mit den Worten Bürgers zum „Brautbett" eilt; er will sie zur „Hochzeitsstätte" anstatt ins „Hochzeitsbette" bringen, sich mit ihr zur „Ruh" anstatt ins „Bett" legen, und die Bürgerschen Verse:
  Tanz uns den Hochzeitreigen,
  Wenn wir zu Bette steigen
werden in folgende unmögliche Form umgedichtet:
  Tanz uns den Hochzeitteigen,
  Wenn wir das Heim erreichen.----
Solche Verse hat ein Bürger nie geschrieben: er nahm Rücksicht auf das ästhetische Gefühl seiner Leser und sah vor sich, erlebte innerlich mit, was er dichtete. Das Schlimmste aber ist, daß eine ganze Strophe in dem unbegreiflichen Bemühen, um ja das Wort „Bett" zu vermeiden , einfach unterschlagen wurde, und zwar die folgende, die in ihrer wunderbaren Naivität, Anschaulichkeit und dramatischen Lebendigkeit besonders das Volksliedmäßige in Bürgers Dichtung fühlen läßt:
  „Sag an, wo ist dein Kämmerlein?
  Wo, wie dein Hochzeitbettchen?" —
  „Weit, weit von hier, still, kühl und klein!...
  Sechs Bretter und zwei Brettchen!" -
  „Hat's Raum für mich?" — „Für Dich und mich!
  Komm, schürze, spring und schwinge dich!
  Die Hochzeitsgäste hoffen;
  Die Kammer steht uns offen." —
Ist es für den Lehrer bei der Lektüre der „Lenore" wohl angenehm, wenn eine Schülerin sich meldet und erklärt, daß bei „Bürger" das Gedicht ganz anders gedruckt steht; ist es vom Standpunkt rechter Erziehung zu rechtfertigen, wenn der Lehrer und das Lesebuch der Schülerin Unwahres, Gefälschtes darbringt? Die Schülerinnen werden mit Recht über Lehrbuch und Lehrer eifrig tuschelnd die Köpfe zusammenstecken: und die Dichter im Grabe werden sich schaudernd umwenden. Sie müssen ja schweigen und ihre Werke amputieren und operieren lassen, bis alle rechte Dichterkraft glücklich draus verschwunden ist.

 

 

Tagung des Bundes der Landwirte. In: Jeversches Wochenblatt : Friesisches Tageblatt 21.2.1912

Seine Worte waren damals folgende (am 12. Februar 1902) : „Nun. meine Herren, das Spiel, es kann beginnen. Auf der Bühne des deutschen Vaterlandes sind schon die beiden Hauptakteure der Zukunft aus der Kulisse getreten, der Bund der Landwirte und die Sozialdemokratie! Was dazwischen steht, wird sich entscheiden müssen, und die Toten reiten schnell."

 

 

Schüler, Paul. Parkettschmerzen. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Montags-Ausgabe 9.12.1912

Die war vorsichtig genug, sich zu erheben, als sie merkte, daß Unheil im Anzug war. Aber es half nichts. "Pardon," sagte der Störenfried, und da hatte sie auch schon ihren Tritt, verschärft durch einen Stoß gegen die Schenkel, der nicht von schlechten Eltern war. "Lehn' deine Knie an meine Knie..." Und weiter geht es die Reihe herunter mit hurre, hurre, hopp hopp hopp, bis man ganz durch ist.

 

 

Der Fliege Not. In: Hamburger Fremdenblatt 8.12.1912
(Frei nach Bürgers "Lenore").

Die Fliege flog ums Morgenrot
herum mit schwerem Brummen;
"Ach, in Arkansas, welche Not
ist über uns gekummen,
da hat der Menschen arge Macht
viel Gram und Kummer uns gebracht,
und manche unsrer Lieben
sind nicht ganz wohl geblieben!
Man kam dort nämlich überein,
daß wir nicht h y g i e n i s c h sein,
und hatte kein Erbarmen -
o weh, o weh uns Armen!
Die Straßen wurden überschwemmt
mit brenzlich saurem Wasser,
wodurch der Atem uns gehemmt,
und täglich ward es nasser,
Gesindel hier, Gesindel dort,
sasa, sie sprengten immer fort,
um gegen Infektionen
sich wirkungsvoll zu schonen.
Und hurra, hurra, hop, hop, hop!
Ward uns davon ganz dumm in Kopp,
wir mußten viele Meilen
zur Sicherheit enteilen!"
Nun tanzen wohl im Sonnenglanz
rund um herum im Kreise
die Fliegen einen Kettentanz
und summten diese Weise:
"Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht,
nee, in Arkansas bleib'n wir nicht,
dort war man zu ungnädig -
der Brummer sind sie ledig!"   P.

 

 

Frau Steinheil. In: Hamburger Fremdenblatt 8.12.1912

Frau Steinheil fuhr ums Morgenrot
Empor aus weichen Kissen;
Beleidigt war sie ohne Not, -
Das mag der Teufel wissen!
Was weiß denn so ein Adam nur
Von Frauenrecht und Frau'nnatur!
Wie konnte er es wagen,
Jetzt will sie ihn verklagen!

Steinheilig, wie sie immer war,
Will sie sich still begnügen:
Zweihunderttausend Franken bar,
Die werden schon genügen.
Dann ist die Ehre wieder rein,
Dann ist der Name wieder sein,
Des Makels ist sie ledig. -
Sei das Gericht ihr gnädig!

 

 

Die "Titanic". In: Pester Lloyd, 17.4.1912

Und dennoch — nicht dies ist das Furchtbarste. Die Toten reiten schnell. Der laute Schmerz der Witwen wird milder Ergebung weichen, die Waisen werden heranwachsen und nur manchmal wehmütig zum Bilde eines halb Vergessenen aufblicken, Fabriksräder und Geschäftsbetriebe werden weiter sausen und hasten, auch wenn andere Männer in den Direktionsstuben sitzen werden... Die Toten reiten schnell. Furchtbarer ist es, daß nun ein neuer Schrecken, eine neue Angst in unser Leben tritt, ein Bangen, das die Menschen dieser Generation nicht mehr kannten, das sich nun wie ein mahnendes Menetekel an
die Wand ihrer Pläne und Entschlüsse malen, das auf lange Zeit hinaus nicht aus ihrem Denken zu bannen sein wird. Es ist die Angst vor dem Meere.

 

 

Die moderne Lenore. In: Wiener Caricaturen, 31. August 1913

Lenore fuhr ums Abendrot
Empor vom Ruhekissen:
— Kommt Wilhelm nicht zum Abendbrot?
Ich muß das schleunigst wissen!
He, Bertchen, fix, geh’ auf die Spur,
Der Zeiger weist auf sieben Uhr,
Im „Stern“ und auch im „Bären“
Pflegt Wilhelm einzukehren!—

Und hurre, hurre, hossassa,
An’s Fenster eilt Lenore.
Ei, ei, wer steht und wartet da
Am Brunnen vor dem Tore?
Ein junger, hübscher, fescher Mann,
Der schmachtet sie mit Blicken an
Und flötet Sehnsuchtstöne:
— Erhöre mich, du Schöne!—

— Nun, Bertchen? — Ach, der gnäd’ge Herr
Wird heut’ sobald nicht kommen;
Es hat vom Lande irgend wer
Ihn mit Beschlag genommen! —
— So, so, hm, hm, na dann ist’s schön.
Kannst du zu deinem Schatz heut’ geh’n.
Darfst länger auch verweilen
Und brauchst dich nicht beeilen! —

Und hurre, hurre, hossassa—
An’s Fenster eilt Lenore;
Der Jüngling steht noch immer da
Am Brunnen vor dem Tore.
Ein Tüchlein winkt, ein Handkuß fliegt.
Die heiße, tiefe Sehnsucht siegt —
Lenores Kemenaten
Könnt’ heute ’was verraten! —

Ihr Männer nehmt euch dies zur Lehr’,
Es gibt noch mehr Lenoren
Und groß ist auch die Anzahl der
Jünglinge vor den Toren!
Ihr meint: Wir sind in sich’rer Hut,
Denn unser Weib ist brav und gut? -
Das ist ein schwaches Tröstchen —
Na, nichts für ungut! Pröstchen!

 

 


 

 

 

les morts vont vite (Die Todten reiten schnell) in Le Matin, 24 aoút 1913 (RETRONEWS der BnF)

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                         Erläuterung

 

 

Klerikales "Christentum". In: Volksfreund : Tageszeitung für das werktätige Volk Badens, Erstes Blatt 29.10.1913

Auch der Durchfall des Jesuitentöters Hink hat allseitige Befriedigung und Genugtuung erregt. Der Landtag verliert nichts dadurch. Daß Schmid-Singen in der Versenkung wieder verschwunden ist, aus der ihn der jungliberale Generalsekretär Thorbecke verflossenen Angedenkens hervorholte, läßt auf zunehmende Helligkeit des Seekreises schließen. Vor kurzem noch Reichs- und Landtagsabgeordneter, nun - Privatmann. Ja, die Toten reiten schnell! . . .

 

 

Engel, Fritz. Vom Filmschauplatz. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Abend-Ausgabe 28.2.1913

Und nun soll auch Henrik Ibsen filmgerecht werden. Als vor einiger Zeit der Film nach den dramatischen Autoren rief und beinahe alle, alle kamen, wurde als letzte groteske Konsequenz in bitterem Scherz auf die Möglichkeit hingedeutet, daß auch Ibsen werde daran glauben müssen. Die Toten reiten schnell. Jetzt ist es Ernst geworden. Des Dichters Sohn hat mit einer Filmgesellschaft einen Vertrag geschlossen. nach dem Henrik Ibsens Werke von hervorragenden Schriftstellern für das Kino bearbeitet werden sollen.

 

 

Vor dem ersten Ball. In: Hamburger Fremdenblatt, 26.1.1913

Elvire fährt ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen.
"Das wäre fürchterliche Not,
Das Ballfest zu versäumen!"
Ihr winket heut' der erste Ball,
Ein wahrlich sehr gewicht'ger Fall,
Vollständig aus dem Häuschen.

Und auf dem Kissen hin und her
Ihr Köpfchen wälzt Elvire:
"Wird pünktlich kommen der Friseur,
Zu ordnen die Coiffüre?
Läßt mich der Schuster nicht im Stich?
Es wäre gräßlich, zwickten mich
Die neuen Atlasschuhe
Und raubten mir die Ruhe!

Ob wohl auch ohne Makel sitzt
Das Kleid von Samt und Seide?
Ob auch genügend glänzt und blitzt
Das Similigeschmeide?
Wenn nur kein Ohrring sich verliert!
Wird keine Nadel, deplaciert,
Beim Tanz mich stechen, kratzen?
Wird auch kein Handschuh platzen?

Ob ich die Schultern und den Hals
Durch Kremser Weiß veredle?
Ein wenig Puder jedenfalls
Ins Antlitz ich mir wedle.
Soll ich der Augenbrauen Spur,
Die etwas spärlich von Natur,
Durch Tuschen wohl verstärken?
Wird es auch niemand merken?

Und tret' ich in den Ballsaal ein
In vollem Reiz und Glanze,
Wird gleich zur Hand ein Jüngling sein,
Der mich erkürt zum Tanze?
Mein Herz, es würde jäh geknickt,
Wenn ich so schön und reich geschmückt
Mit Seide, Samt und Spitzen,
Blieb an der Mauer sitzen!"     Wdn.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vergnügungs- und Erholungsreise zu Wasser. In: Hamburger Fremdenblatt, 6.7.1913

(Mit klagender Stimme leise zu sprechen.)
 
Ich fuhr so um das Morgengrau
hervor aus schweren Träumen,
im Magen war mir gräßlich flau;
wie tat das Schiff sich bäumen!
Im Kopfe gings mir kreuz und quer -
ach Aegir, Herr der Fluten,
(ich wollt', daß ich in Hamburg wär'),
Du tust zu viel des Guten.
Es bläst der Wind aus Süd und Nord
nach sämtlichen Tabellen,
wenn es nur ginge, lief ich fort -
mein Schiff streicht durch die Wellen.
Mit einem Male - hol's die Pest -
dreht alles sich im Kreise,
es bläht der Wind aus Ost und West
und heult mir diese Weise:
"Geduld! Geduld! Wenn's Herz auch bricht,
mit Aegir, Freundchen, hadre nicht,
des Frühstücks bist du ledig,
für diesmal ging's noch gnädig!"

 

 

LA SEMAINE POLITIQUE. In: La Lanterne, 9 février 1914

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            Erläuterung

 

 

"Der Verrat des Freisinns." In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Abend-Ausgabe 27.3.1914

„Dem rosaroten Wein gärenden Triumphes möchte» wir aber doch ein paar Tropfen nationalen Wermuths beimischcn. Auch die politisch Toten reiten schnell. Wenn Exzellenz v. Liebert in Zukunft auch nicht mehr im Reichstag seine warnende Stimme erheben kann, ein Mann. der seinem Volke etwas zu sagen hat, findet Gott sei Dank noch anderwärts Gelegenheit, zu wirken und für seine Ideen zu kämpfen."
    Ja, „auch die politisch Toten reiten schnell!" Die „Post" erklärt dann dem Freisinn noch, daß „der Hehler schlimmer als der Stehler" sei, und auch sie spricht von „jammervollem Verrat".

 

 

Lokales. Hamburg, 5. Februar. In: Hamburger Anzeiger, 6. Februar 1914

“Emil Nauckes Varieté. Herr Direktor Hugo Ferry hat das beliebte Lokal wieder auf seine frühere Höhe gebracht. [...]
Das zweite Stück, die Posse "Leonore fuhr ums Morgenrot", bringt eine ganz hervorragend komische Nachthemd-Szene, die in einem Treppenflur spielt. Neben diesen Stücken tritt eine Anzahl erstklassiger Artisten auf.”

 

 

Bange Ahnung. In: Pforzheimer Anzeiger : (Pforzheimer Geschäfts-Anzeiger für die gesamte Gold- und Silberwaren-Industrie und deren Hilfsgeschäfte), 1. Beilage des Pforzheimer Anzeigers 6.8.1915
.
Zar Nik'laus fährt ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen:
"O jemine! Schockschwerenot!
Wir mußten Warschau räumen!

Verlust und Schläge, statt Gewinn!
Galizien wieder futsch, dahin!
Auch Polen ist verloren!
O wär'ich nie geboren!

Verloren habe ich das Spiel:
Der Feind hat alle Trümpfe,
Das Volk wird wild, Potz Besenstiel!
Mach ich mich auf die Strümpfe??

Bevor man packt mich - hopp, hopp, hopp
Entflieh ich lieber im Galopp,
Das morschen Thrones ledig -
Gott sei mir Armen gnädig!"
    Wilhelm Widmann.

 

 

Ypern-Ballade. In: 2. Beilage zu Nr. 103 des Pforzheimer Anzeigers 4.5.1915
 [am 22.4.1915 setzte erstmals die deutsche Armee Chlorgas als Kampfmittel ein]

Bei Ypern fuhr ums Morgenrot
John Bull aus Träumen plötzlich:
"Goddam! Was gibts? Schockschwerenot!
Was stinkt denn so entsetzlich?"
Auch die Kanadier sind erwacht,
Bemerken, daß es riecht und kracht
Und blicken bang und trübe,
Sie ahnen deutsche Hiebe!

Der Franzmann schnuppert: "Welcher Duft!
Das sind verdächt'ge Gase!"
Der dicke Turko ringt nach Luft,
Der Inder rümpft die Nase.
Und hurre, hurre, hopp, hopp, hopp
Nah'n deutsche Krieger im Galopp
Und stürzen auf die Herde
Mit wütiger Geberde.

Es wehren heftig sich der John
Und seine Kampfgenossen;
Sie ernten den verdienten Lohn,
Sie werden scharf beschossen,
Teils weggeputzt und teils blessiert,
Teils in Gefangenschaft geführt,
Die Schwarzen und die Weißen
Von Bayern, Badnern, Preußen
.

Im Sturm die Deutschen den Kanal
Noch siegreich überschreiten,
Erbeuten viel Material
Vom Feind auf beiden Seiten.
Sie setzen fest sich da und dort
Und treiben die Verteid'ger fort
Und jagen aus den Schanzen
Die Briten und die Franzen.

French jammert schmerzlich: "Hin ist hin!
Verloren ist verloren!
Futsch ist mein neuerlicher Gewinn!
O wär' ich nie geboren!"
Er rapportiert nach Haus: "Geduld!
Die deutschen Bomben sind dran schuld,
Sowie die fassungslosen,
schlecht känpfenden Franzosen!"

Auch Joffre ist voll Gram und Wut,
Doch lügt er stramm und bieder
Im Kriegsbericht: Es ging ganz gut:
Wir siegten rückwärts wieder!
Wenn wir nicht ganz im Vorteil sind,
So liegt die Schuld am Gas und Wind,
Sowie auch an den Briten,
Die schlapp und knapp nur stritten!" 
       Wilhelm Widmann



 

Brot- und Mehlkarten-Verse. In: Pforzheimer Anzeiger 1. Beilage des Pforzheimer Anzeigers 13.3.1915

  (Nach berühmten Mustern.)
Ueb' Bürgerpflicht mit Pünktlichkeit
Bis an dein kühles Grab
Und hole stets zu rechter Zeit
Die Mehl- und Brotkart' ab!

Wenn du noch eine Karte hast
Für Brot- und Mehlbezug,
So trag getrost des Lebens Last,
Dir blieb des Glücks genug!
Wenn du noch eine Karte hast
Für Mehl und auch für Brot,
Bist du ein reicher Erdengast,
Drückt dich noch keine Not.

Zu Kneterich, dem Brotbäcker, schlich
Minna, den Korb im Gewande,
Sie schlugen die Häscher in Bande.
"Was wolltest du mit dem Korbe, sprich?"
Forscht einer der Häscher fürchterlich,
"Dein Brot ohne Karte erneuern???
Das sollst du bei Strafe bereuen!"
 

Lenore fährt ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen;
Sie ist in Sorge, Angst und Not,
Die Brotfrist zu versäumen.
Und wer versäumt dem Kartengang
Muß gründlich fasten Tage lang,
Ist des Bezugsrechts ledig,
Gott sei dem Armen gnädig!

O alte Brot- und Mehlfreiheit,
Wohin bist du geschwunden,
Seitdem John Bull aus Haß und Neid
Die Zufuhr unterbunden!
Knapp zugemessen wird das Brot,
So will's das kluge Spargebot -
  O jerum, jerum, jerum!
  O quae mutatio rerum!

 

les morts vont vite (Die Todten reiten schnell) in Le Règiment, 3 février 1916 (RETRONEWS der BnF)

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                  Erläuterung

 

 

Modernisierter Balladen-Anfang von Martha Rubinstein. Fliegende Blätter 1916

Herr Julius fuhr um's Morgenrot
Empor aus schweren Träumen:
"Bist untreu, Anna, oder tot,
Wie lange willst du säumen?"
S i e war mit der Frau Nachbarin
Zum B u t t e r k a u f gezogen hin,
Und hatte nicht geschrieben,
Ob sie g e s u n d g e b l i e b e n! . . .
 

 

 

Le Phare de la Loire, 21 jullet 1916

Les Morts vont vite en Turquie !
Amsterdam.- La- « Gazette de Voss » annonce la mort de Jedal Ed Din, neveu du sultan de Turquie.

 

 

Doering, M. Heldenhaine und Heldengräber. In: Berliner Börsen-Zeitung, Morgen-Ausgabe 26.11.1916

Bereits im ersten Kriegsjahre setzte eine Bewegung in Deutschland ein, die dahin zielt, unseren gefallenen Kriegern ganz besondere Ehrungen zu erweisen. Nicht mehr wie in Bürgers Leonore mag es heißen: „Die Toten reiten schnelle," — nein, niemals soll jener vergessen werden, die ihr Leben dem Vaterlande zum Opfer gebracht. Des zum Zeichen errichtet man besondere Soldatenfriedhöfe. Sie sollen ein mahnendes Gedenken sein der schweren Zeit, die das Deutsche Reich in diesen harten Kriegsjahren siegreich zu überwinden hat.

 

 

Die Nicht-Entdeckung von Fritz Engel. In: ULK, Wochenbeilage zum Berliner Tageblatt, 2. Februar 1917

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Kolumbus fuhr ums Morgenroth
Empor aus wilden Träumen:
Gewaltig war des Sturmes Not,
Er sah das Meer sich bäumen:
 

 

Ostgalizische Feldzeitung , 1917 Nr. 22

Heiteres.

Er lässt sich nichts vormachen. Ein Gendarm hielt einen Automobilisten an, dem die Laterne
ausgegangen war, und liess sich dessen Visitenkarte geben. „Wilhelm Schulz,“ las der Polizist,
„Na, das machen Sie nur einem andern weis! Schulzens haben wir gerade genug, immer raus
mit Ihrem richtigen Namen! ’n bisschen fix!“ — „Na,“ meinte der Automobilist, „wenn Sie
ihn denn durchaus wissen müssen, schreiben Sie auf: Gottfried August Bürger, Göttingen.“ — „
Danke sehr,“ erwiderte höflich der Gendarm, „tut mir leid, dass ich Sie bemühen musste!“ Und
sorgfältig notierte er die Adresse in sein Buch. Aber er sucht den Göttinger Dichter der „Lenore“
noch immer vergeblich unter den Lebenden.
 

 

 

Das zermürbende Schweigen. In: Jugend: Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben — 23.1918

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Ha sieh! Ha sieh! Am öden Strand —
Huhu! welch gräßlich Wunder!
Der Herre Kapitänleutnant
Zerfällt wie mürber Zunder!
Zum Schädel ohne Schopf und Zopf,
Zum nackten Schädel wird sein Kopf;
Desgleichen sind zerfressen
Die beiden Ärmeltressen !
                          Jörn

 

 

Ein viertes deutsches Heer im Angriff. In: Nachrichten für Stadt und Land : Oldenburger Zeitung für Volk und Heimat 8.4.1918

Schon dringen aus England Stimmen zu uns, nach denen wir den Gesamtverlust der Engländer bis zum 6. April auf gegen eine halbe Million Männer abschätzen dürfen. Um den riesigen Aderlaß durch frisches Blut zu ersetzen, dehnen sie die Dienstpflicht bis zum 50. Lebensjahre aus, militarisieren sich, also mehr noch als ihre Verbündeten, die Franzosen. Der Verlust der letzteren ist aber in jener halben Million noch nicht mit enthalten. Die Toten reiten schnell in ihrem vergeblichen Aufbäumen gegen ein unerbittliches Schicksal!

 

 

"Hoch an" In: Karlsruher Tagblatt, Unterhaltungs-Beilage zum Karlsruher Tagblatt 23.2.1918

Während wir noch in unserem Schmerz uns zu fassen suchten, wurde schon der Leichentransport gemeldet. Ja, die Toten reiten schnell. Wo sollte der Tote aufgebahrt werden? Eine unbenutzte Durchfahrt war dunkel, kühl und gewölbt. Dort setzte man den Abgezehrten nieder, so wenigstens wurde er mir von den Besuchern beschrieben. Ich glaubte ihn nicht durch Neugier zu ehren und blieb auf meinem Zimmer.

 

 

Baden. Ein hohler Protest. In: Badischer Beobachter : Hauptorgan der badischen Zentrumspartei, Mittagblatt 25.1.1918

Oh, wie haben wir es seit dem 19. Juli 1917 doch so herrlich weit gebracht! Die Toten reiten schnell! und diese Toten sind in dem demokratisierten Deutschland die Versammlungsfreiheit und die Redefreiheit und die Gedankenfreiheit!

 

 

Zschokke, Heinrich. Kriegerische Abenteuer eines Friedfertigen. In: Volksfreund : Tageszeitung für das werktätige Volk Badens 6.5.1918

Die flüchtigen Chasseurs hielten mich vermutlich für einen Teufelskerl, der darauf geschworen habe, ihnen das Blut abzuzapfen. Denn sie sahen sich von Zeit zu Zeit nach mir mit Gebärden voller Entsetzen um. Ach, die guten Herren! hätten sie nur gewußt, wie mir bei dem Siege zu Mute war.
   Und immer weiter, hopp, hopp, hopp,
   Gings fort im sausenden Galopp,
   Daß Roß und Reiter schnoben,
   Und Kies und Funken stoben.

 

 

Meier, Otto. Totentanz. In: Freiheit : Berliner Organ d. unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands 18.3.1919

 Zum 19.März.
Es huscht im Friedrichshaine
Manch' düsterer Schatten umher.
Die alten Leichensteine
Erbeben und ächzen schwer.
[...]
Die Toten reiten schnelle,
Ihr Geisteratem sprüht. —
„Hierher, du Sturmgeselle,
Hörst du der Kugel Lied?"
[...]
Es raunet nicht nur dorten
Geheimnisvoll zur Nacht.
Schon brausets allerorten.
Der Freiheitssturm erwacht.

 

 

Bauernkerwe in Mühlburg. In: Badische Presse : Generalanzeiger der Residenz Karlsruhe und des Großherzogtums Baden, Abendausgabe 31.1.1919

Aber Papa meinte, es sei mehr eine Auto-Courage gewesen, damit zu fahren. Denn als sie, wie Bürgers Lenore — über die wir auch schon einmal einen Schulaufsatz schrieben — später wirklich ums Morgenrot fuhren, waren sie zwanzigfach überzeichnet, wie eine gute Staatsanleihe, sagt Papa.

 

 

U. S. P. In: Volksfreund : Tageszeitung für das werktätige Volk Badens1.10.1920

Der Krakeel auf den Ruinen — Die verkrachte politische Kriegsgesellschaft
  Die U. S. P. wollte nach Halle gehen, um sich zum Sterben zu legen. Dort sollte auf einem letzten Parteitag eine noch einigermaßen geordnete Auseinandersetzung zwischen den Kommunisten und den Resten der „alten" — vier Jahre alten! — Partei versucht werden. Heute spricht ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit dafür daß es zu diesem Parteitag ein wirres Durcheinander geben wird. Die Toten reiten schnell! Der U. S. P. widerfährt heute dasselbe Schicksal das sie jetzt vor vier Jahren der Sozialdemokratischen Partei zu bereiten versucht hat. Vier Jahre nach der Spaltung steht die alte Partei wieder da mit einem lückenloseren Organisationsnetz, einer besser ausgebauten Presse als vor dem Kriege.

 

 

nach oben      39 / 20.12.2023

 

1921-1930

 

Theater und Musik. In: Karlsruher Tagblatt, Erstes und Zweites Blatt 29.6.1921

 Auch dieses handfeste Schauspiel mit aufgezogenen Rollen hatte eine Zeit, in der man es literarisch beklopfte. Die Toten reiten schnell, nach zwanzig und einigen Jahren holt sie kein Gerichtsurteil aus der Grube. Statt der „Zwei glücklichen Tage" hätte man gescheiter das um hundert Jahre ältere Urbild, das Kotzebue'sche „Landhaus an der Heerstraße" lüften sollen. Auch bei Kotzebue wird der neue glückliche Besitzer einer Villa schikanös zum Bewußtsein seines Unglücks gebracht!

 

 

Die Toten reiten schnell. In: Freiheit : Berliner Organ d. unabhängigen Sozialdemokratie Deutschlands 25.2.1921

Zusammenbruch der Zentrale der V.K.P.D. In ihrer Morgenausgabe vom Donnerstag setzte die„Rote Fahne" in einem Leitartikel unter der obigen Ueberschrift auseinander, daß die Unabhängige Sozialdemokratische Partei rettungslos dem Verfall anheimgegeben sei. Heute veröffentlicht das gleiche Blatt — nicht wie sonst bei weniger wichtigen Anlässen in fetten Lettern auf der ersten Seite, sondern heimlich, still und leise und ausgesucht winzig, folgende Nachricht: [...]

 

 

Lenore von Bürger von Hermann Boßdorf 1922
(Nedderdütsch nadichtd) 

Lenore keem üm'r Morgenrood
to Högt uut düster Drömen:
Gungst blangbi, Willem. odder dood?
Wolang noch bliwst in Böhmen?
He weer mit König Fritz sien Macht
na Prag hen reden in de Slacht
un hadd är noch nich schwräwen,
wat he ook heel wör blewen.

       der vollständige Text  

 

 

Goetz, Wolfgang. Schweigende Schauspieler. In: Deutsche allgemeine Zeitung, Morgen-Ausgabe 26.2.1922

Was ist mir Döring, dem zwölf Jahre schon vor meiner Geburt die sechs Bretter und zwei Brettchen die Welt bedeuteten? Aus Büchern und Seminaren die kleine Weisheit scharre ich zusammen, daß dieser Mann den Mephisto spielte und den Nathan, den Franz Moor so gut wie den Falstaff.

 

 

Woebkan, Carl. Von Jeverländischer Kultur und Art. In: Jeversches Wochenblatt : Friesisches Tageblatt 30.7.1922

["...] Sie erhoben Klage gegeneinander und begehrten Frieden und am selben Tage haben sie Frieden gemacht." Aehnlich hat man sich im Volke noch das Ende des siebenjährigen Krieges vorgestellt:
    Der König und die Kaiserin,
    Des langen Haders müde,
    Erweichten ihren harten Sinn
    Und machten endlich Friede.
Das war unser homerisches Zeitalter.

 

 

Gebhardt-Tegel, F. Das eigene Haus. In: Nachrichten für Stadt und Land : Oldenburger Zeitung für Volk und Heimat 19.11.1923

Und mit wehmütigem Spott tröstete der Mann: „Alte, ein eigenes Haus im blühenden Garten kriegen wir alle mal, bestimmt!" — Sie nickte, sie wußte, was er meinte: „Ja, so ein eigenes Haus aus sechs Brettern und zwei Brettchen, das war jedem gewiß!" — Und er hatte es nun erhalten, der getreue Lebensgefährte.

 

 

Lord Carnarvon verfilmt. In: Nachrichten für Stadt und Land : Oldenburger Zeitung für Volk und Heimat 12.4.1923

Die Toten reiten schnell. Lord Carnarvon, der das Grab des Königs Tutankhamen erbrach und bald darauf starb, liegt noch nicht unter der Erde, und schon wird er verfilmt. Die Cserepy-Filmgesellschaft bereitet diesen Sensationsfilm vor: der Pharao in seiner Pracht, die geheimnisvolle Bestattung im Wüstengrab, die Verwünschungen der Priester und der verwegene Archäologe, der diesen Verwünschungen trotzt und unterliegt. Das Ganze heißt natürlich „die Rache des Pharao" und wird binnen kurzem auf dem Berliner Vergnügungsprogramm erscheinen.

 

Wie es in Wirklichkeit war. In: Salzburger Volksblatt, 3.11.1923

„Nein," widersprach die pharaonische Mumie, „ich bin zu alt, um neue Spiele zu lernen, zeigen Sie mir lieber ein bißchen die Welt! Damit ich wenigstens weiß, wozu Sie mich wieder ans Tageslicht befördert haben. Die Toten reiten schnell, das weiß ich unter anderm aus einer Bürgerschen Ballade, die ein­
mal ein deutscher Oberlehrer dicht bei meiner Grabkammer seiner Gattin auf der Hochzeitsreise vordeklamiert hat. Also fassen Sie meine rechte Hand und lassen Sie uns reiten!"
   Der Lord zog seine Handschuhe an, ergriff die Mumienrechte und im Nu standen sie in einer Großstadt.

 

 

Feder, Ernst. Der Kampf um die Regierung. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Abend-Ausgabe 1.10.1924

Nicht nur die Toten reiten schnell. Auch die Entwicklung der Deutschnationalen Volkspartei. die nach der Blamage vom 29. August dem Tode durch Zerfall geweiht schien, hat sich, wenigstens äußerlich betrachtet, mit Sturmeseile vollzogen.

 

 

Wesemann, Hans. Meine jüdische Großmutter. In: Volksfreund : Tageszeitung für das werktätige Volk Badens 3.9.1924

Es ist schwer, in der Mode zu bleiben. Die Toten reiten schnell. Kaum sind die Bananen halbwegs vorübergerutscht, kaum hat man sich auf den neuen „Bei mir"-Kult eingestellt — fünf neue Dinger muß man jeden Tag erfinden, um bei anständigen Leuten zum Essen eingeladen zu werden — kaum hat man „das sowieso" sich zum Hausgebrauch angeeignet — und schon ist der neueste Schlager da, den uns die völkische Mode bescherte: Jedermann hat eine j ü d i s c h e  G r o ß m u t t e r.

 

 

Neue amtliche Dokumente. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Abend-Ausgabe 11.6.1924

Zu dwr Auffassung Chamberlains. „daß die Interessen Deutschlands und Englands identisch seien", schreibt er: „Warum hat er das nicht schon vor zwei Jahren geglaubt, da hätte er viel Unheil ersparen können", und zu dem Wunsch der englischen Regierung, „zu einer Verständigung mit uns zu gelangen, welche dem Beitritt zur Tripleallianz gleichkommen würde", bemerkt er: „Alle Wetter! Die Toten reiten schnell!" Zu dem gesamten Bericht macht er die Schlußbemerkung: [...]

 

 

Behl, C.. F. W. Otto Erich Hartleben. In: Berliner Börsen-Zeitung, Morgenausgabe 1.6.1924

Nun sind schon nahezu zwanzig Jahre dahingegangen, seit er in dem schönen malerischen Städtchen Sald am Gardasee — unweit des duftigen Sirmione, wo Catull seine Lieder sang und seine Lesbia liebte — als selbstgewählter „Präsident" jener schuurrig-parodistischen „Akademie für unangewandte Wissenschaft" gestorben ist. . . Die Toten reiten schnell . . . Und wahrlich: im letzten Jahrzehnt sind sie mit der fliehenden Zeit im Galopp um die Wette geritten . . .

 

 

Köchin Karline am Wahltage      Kladderadatsch — 77.1924 Seite: 801

Karline fuhr ums Morgenrot
Empor aus ihren Kissen:
„Zum Donnerhagelschwerenot
Heut' werd' ich wählen müssen!
Um achte rückt die Lotte an
Vom Töpfermeister Pannemann,
Um gleich mich abzuholen
Zur Wahl! Drum auf die Sohlen!"

Sie hopst aus ihrem Federbett
Mit fröhlichem Gerase:
Schlüpft eins, zwei, drei in das Korsett
Und putzt sich kaum die Nase!
Da klopft's schon von dem Fenster her:
„Karline, spul' dich, faules Gör!
Hör', wie die Uhr schon bimmelt!
Das Wahllokal, es wimmelt!"

Karline eilt zur Küchentür
Mit Sprüngen hin, niit fixen:
Da tritt die — Gnädige herfür:
„Erst bitte — Stiefel wichsen!
Und dann wird Kaffee schnell gekocht
Und Staub gewischt — und zwar sofocht!"
Ruft sie voll hartem Eifer
Mit ihrem Nasenkneifer.

Karline sträubt sich wie ein Hahn
Und heult in wildem Grimme:
„Uff Ihre Stiebel kommt's nich an,
Doch heut' uff jede Stimme!
Ob dreckig oder uffgewischt -
Det schadet heute alles nischt!
Ick geh — mach'n Sie die Betten! -
Das Vaterland zu retten!"


Da zog sie triumphierend los
Nach diesem stolzen Worte.
Die Gnädige, mit ihrem Bos,
Stand an der Wohnungspforte;
Dann schrieb sie ihr ins Dienstbuch 'rein:
„Die Karoline Hoppelbein
War treu und brav und häuslich,
Nur an dem Wahltag - scheußlich!"
       m. br

 

 


 

 

 

A u s d e m R e i c h s t a g. In: Lachen links: das republikanische Witzblatt — 1.1924, Seite: 336

Wie wir hören, hat die Deutschvölkische Freiheitspartei außer einer neuen Juden-Ordnung auch folgenden Gesetzentwurf dem Reichstage vorgelegt:

§ 1. Die rote Farbe wird für immer abgeschafft.
  
§ 2. Auch aus dem Regenbogen ist das Rot zu beseitigen.
     [...]

§ 7. Den Damen ist das Tragen roter Kleider, Tücher, Schals und Schuhe verboten; soweit es noch nicht geschehen
ist, ist auch die Schamröte abzulegen.

§ 8. Dem Abend- und dem Morgenrot ist das Erscheinen streng untersagt; alle lyrischen Gedichte und Romane sind danach zu ändern,z. B.:

Lenore fuhr zur Frühstückszeit,
Empor aus wilden Träumen.

§ 9. Die R o t - u n d e n heißen jetzt Hitlerburgen.

                  R. Isus.

 

 

Autos für Jedermann. In: Sport im Bild Nr. 12 1924

Aber davon abgesehen, ist es nicht ein erquickender Gedanke, zwischen all die Leute, die einem über sind, und die eigene werte Person im Handumdrehen soundso viel Kilometer legen zu können und auszurufen; „So, jetzt bin ich die Bande los!“ Ein bißchen Staub zu schlucken ist nicht so unangenehm wie Ärger, und empfehlenswerter ist es, Kilometer zu fressen, als Verdruß herabzuwürgen. Lasset uns erst alle Autos haben, und alles wird besser vom Fleck kommen, als bisher. Wo Menschenkraft nicht ausreicht, muß man Pferdekräfte zü Hilfe nehmen. „Lenore fuhr ums Morgenrot empor aus schweren Träumen" — möge sie bald die einzige sein, die zu ihren Fahrten keinen Kraftwagen braucht.

 

 

Langer, Anton. Kaiser Josef und der Sargmacher. In: (Neuigkeits) Welt Blatt 19.7.1924

Die Masse der Arbeit übte trotz der traurigen Beschäftigung durch das Bewußtsein des Verdienens anregende Wirkung auf die Arbeiter und den Herrn, und die Gesellen sangen und pfiffen während sie die sechs Bretter und zwei Brettlein hobelten, so lustig, als ob sie Brautbetten oder Wiegen herzustellen hätten.

 

 

Hein Gas. In: Hamburgischer Correspondent, 30. September 1925

Die Mutter fuhr ums Morgenrot
Zu spät aus ihren Träumen -
Die Kinder würden Frühstücksbrot
Und Schulbeginn versäumen,
Wenn sie dem Küchenherd nun noch
Umständlich müßt entfachen.
Sie aber sagt: "Auf Gas ich koch!"
Ja, wer das tut, kann lachen.

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La Croix, 20 septembre 1925

Louis Dreyfus (Œuvre) déplore [?] désolation des obsèques nationales de Viviani et l'oubli qui efface déjà le nom du parleur :
Nous étions à ses obsèques civiles une centaine, venus de Paris, dont pas mal d'officiels, en service commandé. Les morts vont vite, surtout en politique; cependant, nombreux sont ceux que son cœur généreux avait conseillés, sauvés, et qui auraient dû être là.

 

 

Die Vorgänge in Halle. In: Hallische Nachrichten, 21. März 1925

Abg. Koenen (Komm.): Die Reichsregierung hat sich bisher um die Sicherung der Wahlfreiheit herumgedrückt. Aber die Toten reiten schnell , schneller als die Regierung und der Reichstag. Tatsächlich ist in Halle der erste Schuß von einem Schupomann, der zweite vom Oberleutnant Pietzker abgegeben worden. (Widerspruch rechts.) Wir haben Zeugen dafür. Die Versammlung war so ruhig wie selten eine, aber der ganze Polizeiangriff war beabsichtigt und geplant.

 

 

Frankfurter Theater. In: Der Humorist 19.11.1925

Sollen wir wehmütige Betrachtungen anstellen, was aus der Operette seit Johann Strauß geworden? Shimmy, Jazzband, Revue — in dem Prestissimo unseres Tageslaufes ist nicht Zeit zum Verweilen; wir brauchen Nervenpeitschen, Sensationen, wir rasen unsere Freistunden ab, der Beruf frißt uns auf, und dann schlingen wir auch das Vergnügen (was man heute so nennt) hastig hinab und hurre, hurre, hopp, hopp, hopp, gehts fort im sausenden Galopp. Kißmet! Sagt uns Johann Strauß noch etwas?

 

 

Brausewetter, Artur. Der Meister des Lebens. In: Berliner Börsen-Zeitung, Morgenausgabe 22.11.1925

  Und fragen wir uns: Wohin werden wir einmal gehen, wenn unsers Lebens kurzer Hauch ausgehaucht, sein kurzer Traum ausgeträumt ist, so gibt es nur eine Antwort: Ins Licht.
  Die Toten reiten schnell — über Himmelsräume und Meerestiefen und Sternenhöhen und leben in einem Lichte, das wir wohl in stillen Stunden mit der Sehnsucht unserer Seele suchen, das aber noch ferne von uns ist.

 

Lenorenballade. In: Neues Wiener Tagblatt, 12.4.1925

Von Robert Hohlbaum.

Ein grauer Abend webt sich ein
ins Banndorf Altengleichen.
Den Amtmann bei Tobak und Wein
Will Düsterkeit beschleichen.
Der Wanderwolken fahler Flug
und im letzten Dämmern der Leichenzug,
das würgt ihm die schlürfende Kehle,
das preßt ihm die frierende Seele.

Er hat das Weibsstück kaum gekannt
und ihr fatal Geschick.
Tagein, tagaus am Straßenrand
stand sie mit irrem Blick.
Doch heute wächst ihr Bildnis auf
und stört der Lustgedanken Lauf,
weht im Gespensterscheine
aus Tobakrauch und Weine.

Ihr Liebster zog vor Jahr und Tag
mit König Friedrichs Macht
in singender Soldatenschar
froh nach der Prager Schlacht.
Doch sind sie alle ruhmbewehrt
mit Kling und Klang zurückgekehrt
im Hall der Siegeslieder,
ihr Buhle kam nicht wieder.

Sie wartete tagaus, tagein
in wirrer Hoffnung Sorgen,
im Morgenglanz, im Abendschein
und wieder bis zum Morgen.
Doch heut' ist sie nach dumpfer Nacht
aus ihrem Traum nicht mehr erwacht.
Nun raunen rings die Frommen:
Der Liebste ist gekommen.

Um Mitternacht im Geistersturm
hörten sie Reiterrufe,
im Dachgebälk der Totenwurm
tickte im Takt der Hufe.
Der Nebel flog, der Mond schien hell,
des Todes lächelnder Gesell,
doch um die erste Stunden
war Glanz und Graus geschwunden.


 

Der Amtmann reißt sich einen Ruck
und greift nach seinem Glase:
„Hundsföttischer Gespensterspuk,
zupfst du auch mir die Nase?!
Ich trag' ein dickes Seelenfell!"
Umsonst. Es raunt: „Der Mond scheint
    hell,
der Tag gehört dem Leben,
uns ist die Nacht gegeben!"

„Die Nacht, die Nacht, ein dummer Scherz!
Die ist für schön're Dingel"
Er hebt den Krug. Da rührt's sein Herz
wie eine kalte Klinge.
Und aus dem Rauche webts und  
    schwebt's
von wehenden Gestalten lebt's,
die schlingen dumpf und leise
eng um sein Haupt die Kreise.

Da schlägt's ans Fenster: Aufgemacht!
Wie weit muß ich noch reiten?
Wer ist noch wach um Mitternacht?
Der soll mich heut' begleiten!"
Wie eng der Raum! Hinaus, hinaus?'
Das Roß gesattelt und im Braus,
von Rätselkraft gehoben,
dem Gaste nachgestoben!

Nun tritt des Mondes fremdes Licht
aus Wolkenwirrgewimmel,
frei blickt das beinerne Gesicht
in den versteinten Himmel.
Aus fahler Fratze tönt es grell:.
„Hurra, die Toten reiten schnell!
Wer will mich treu begleiten
durch Zeit und Ewigkeiten!"

Der Rappe rast mit tollem Huf
nach dem erhellten Reiter,
den Dichter lockt des Liedes Ruf
nachtwandelnd weiter, Weiter;
straßauf, straßab and über Feld,
der ganzen monderhellten Welt
und ihrem Glanz und Grauen
muß er sich anvertrauen.

Und wieder tön's: „Wir reiten schnell!
aus der erstarrten Kehle.—
Doch eines Widerhalles Quell
weckt's in des andern Seele,
Ein Lied, hart wie ein Kirchhofstein,
doch ist's von seinen Gnaden, sein!
Er reckt sich hoch im Bügel,
wie rauscht des Himmels Flügel!

„Steh fest, steh fest, wie du dich nennst
ich bin dein Herr und Meister,
an meine Seite, Luftgespenst,
ich banne alle Geister!
Mond meiner Seele, scheine hell!
Hurra, die Toten reiten schnell,
doch stärker, du Gelichter,
Bin ich, des Todes Dichter!

Geheimster Glanz, der Niedre schreckt,
dein Zauber schreckt mich nicht!
Mir liegst du klar und aufgedeckt,
denn du bist mein Gedicht!
Tod, reite Wild, Mond, scheine hell,
der Herrgott selbst ist mein Gesell,
mir hat er Macht gegeben,
Macht über Tod und Leben!" ...

Der Morgen tastet glanzbewegt
auf hinter blauem Hügel,
im stillen Schritt der Rappe trägt
treu die gelösten Zügel.
Ums Haupt des Dichters flicht der Glanz
des Ruhmes zarten Rosenkranz,
im ersten Morgenwerden
ist er allein auf Erden.

Laß heulen rings im Kettentanz
die Geister ihre Weise,
erwachter Seele tiefer Glanz
leuchtet der Himmelsreise.
Wer Tod zum ew'gen Leben schuf,
den schreckt kein Nachtgespensterruf,
den wird sein Gott geleiten,
durch Zeit und Ewigkeiten!


 

 

 

Fünf Minuten vor dreiviertel 21  In: Berliner Volkszeitung, 11. Juli 1926

Alte Zifferblätter. aber neue Stundenbezeichnung

Vom 15. Mai 1927 an heißt 1 Uhr mittags, 13, und 12 Uhr nachts heißt 24, wenigstens im K u r s b u c h und auf den ausgehängten E i s e n b a h n f a h r p l ä n e n. Die Gespenster spuken dann nachts um 24, die ja, wie man aus Bürgers
„L e o n o r e" weiß, nur um Mitternacht satteln. Bürgers Leonore darf dann nicht mehr seufzen: „Ach, wolltest hundert Meilen noch — Mich heut' ins Braubett tragen? — Und horch! es brummt die Glocke noch, — Die elf schon angeschlagen."
Nein! Lenore muß seufzen: " 's hat d r e i u n d z w a n z i g grad geschlagen!" — Das heißt, das s a g t sie so! In Wahrheit wird's mit dem Schlag der Turmuhren beim alten bleiben. Die Uhren sollen nicht geändert werden, verspricht die Eisenbahn. —
„W i e  s p ä t?" fragst du. — „F ü n f  M i n u t e n vor dreiviertel 21", wird die Antwort lauten, aber die Taschenuhr zeigt
dabei auf 8 Uhr 40. Man muß das im Kopf umrechnen. Das geht wie geschmiert. Ich will gleich die P a t e n t l ö s u n g verraten: man muß bei allen Zahlen über 12, also von 1 Uhr mittags ab bis Mitternacht, einfach 12 subtrahieren. Subtrahiere, Mensch! heißt: M e n s c h, z i e h ab!"

 

 

Salzburger. Von Hans. In: Die Bühne, Heft 94, 1926 S. 8

In einem Coupe lag ein dicker Schieber und schnarchte; da der Schaffner aber die Station Frankenmarkt ausrief, fuhr jener, Leonoren gleich , empor aus schweren Träumen; er hatte Franken und Mark gehört und fragte rollenden Auges : „Sind wir schon in Paris ?" Ich forderte ihn auf, sich „Jedermann“ anzusehen, wo worin gezeigt wird, wie schwer den reichen Leuten das Sterben fällt.
 

 

La Croix, 8 juin 1926

Memento-Revue
Aux Etudes (1) du 5 juin, nous trouvons la véridique et belle histoire de l'apostolat du P. Volpette chez les mineurs de Saint-Eti
enne. Les morts vont vite et celui-ci, après trente ans de travail au pays noir, a succombé en 1923.

 

 

Der Zusammenbruch der Pankower Siedlungsgesellschaft. In: Berliner Börsen-Zeitung, Morgenausgabe 9.1.1926

Wir haben uns seinerzeit auf eine kurze sachliche Entgegnung unseres Veltener Gewährsmannes beschränkt. Wir wußten es: Die Toten reiten schnell. Schneller als der preußische Bureaukratismus, der auf die Anträge der Deutschen Volkspartei und der Kommunisten im Parlament eie« restlos aufklärende Antwort bis heute schuldiggeblieben ist.

 

 

"Europäische Malerei?" In: Karlsruher Tagblatt 4.8.1926

Paneuropäische Kunst ist der Steg zu pangäaischem Schaffen, zu einer Kunst, in der sich botokudisch-burjäkische Elemente ebenso gut mischen, wie hottentottisch-europäische, eine Kunst, die überall auf der Erde verständlich ist, eben Erdballkunst, in allen Zonen und allen Erdteilen zu Hause und begehrt, — wie die Gassenhauer und Operettenmelodien. Wenn wir den weitschauenden Blicken R. Frances trauen wollen, wird sich dieser Umwandlungs- und Ausgleichungsprozeß „zwischen unsern Tagen und 1950" vollzogen haben. — Die Toten reiten schnell."

 

 

Der Sport und die Dame. In: Die schöne Frau Heft 1 1926

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 DAS EIS, auf welches die schöne Frau zu gehen beabsichtigt, um dort Kapriolen zu laufen, ist teils künstlich durch Temperaturunterschiede entstanden, teils liegt es in der Natur der Sache. Die Dame der Großstadt sollte in den Wintermonaten ihre Gedanken nicht ausschließlich auf Handschuh und Tandschuh, sondern auch auf den Schlittschuh richten. Auf Schlittschuhen, schöne Frau , gleitest du durch die schönsten Stunden. Was ist dabei? Du schnallst sie ab, und die Erde hat dich wieder. Glückliche Frau, wenn dich Schlittschuhe erfreuen, preise ich dich. Denn dann hast du noch Kraft, Seligkeitsgefühl und lockende Primitivität in dir. Aber fahre schon morgens. Ich erinnere an Bürger: „Leonore fuhr ums Morgenrot...... “ Unsere Vorfahren gingen schon beim ersten Hahnenschrei aufs Eis.

 

 

Neutaufe. In: Stuttgarter neues Tagblatt, 18.12.1926

Lissy, die Kommerzienratstochter, hat einen neuen Rennwagen geschenkt bekommen und trainiert nun - da sie unbedingt im nächsten Targa Florio-Rennen den ersten Preis gewinnen will - frühmorgens bei Sonnenaufgang, wenn die Landstraßen noch leer sind, wie der Satan in der Gegend umher.
  Eines Tags wird sie davon überrascht, daß ihre Freundinnen sie nicht mehr Lissy, sondern Lenore nennen.
  "Aber warum nennt ihr mich denn mit einmal Lenore?" fragte sie.
  "Hm, nach der bekannten Ballade von Bürger, die anfängt: Lenore fuhr ums Morgenrot..."

 

Eine Reise nach Bolivien. In: Vorarlberger Volksblatt, 2.11.1926

Einmal sah ich einen Leichenzug, der aus 8 Autos bestand. Es ging so schnell dahin, daß man nicht einmal die Leute recht erkennen konnte. Da fielen mir die Verse aus Bürgers Ballade ein: „Hurra, die Toten reiten schnell". Ja in Buenos Aires hört die Raserei nicht einmal mit dem Tode auf. Der Friedhof soll eine Stadt von Mausoleen sein, die sich die Reichen erbaut haben.

 

 

Erna Paul Allen: Der illustrierte Büchmann. In: Revue des Monats 1927/28
Erna Paul Allen Der illustrierte Buechmann Revue des Monats 1927 28

 

 

Le Petit Provençal, 23 avril 1927

Déjå !
Chez un libraire de la rive gauche, on pourrait voir, ces jours derniers, un ouvrage de feu Eugène Lintilhac, aves envoi d'auteur à Jean Richepin.
  Les morts vont vite.
             (Aux Ecoutes).

 

 

Wie Eleonore ein neues Hemd bekam. In: Illustrierte Kronen Zeitung 10.8.1927

„Um zwa Schilling kannst es haben!"
„Net teuer," sagte Pepi. Er nahm das Hemd, bezahlte dem Alex die zwei Schilling und reichte das Damenhemd galant seiner Freundin, der hocherfreuten Eleonore.
  Der Ludwig nahm dann noch einige Messingständer aus dem Auslagekasten und die Gesellschaft entfernte sich frohgemut. Sie gingen alle in ein Kaffeehaus in der Schiffamtsgasse. Die Männer setzten sich an den Tisch und verlangten Karten. Eleonore aber fuhr ums Morgenrot in der Damentoilette aus ihrem alten Hemd heraus und ins neue Hemd hinein. Mit dem alten machte sie nicht viel Geschichten: sie warf es Klosett. Dann ging sie stolz und froh zu ihrem Pepi, dem sein Mädel im neuen Hemd noch schöner erschien denn je.

 

 

Morgen auf der Peißnitz. In: Saale-Zeitung, 24.6.1927

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Moderne Heldenballade  In: Kladderadatsch — 81.1928, Seite: 234

— nach G. A. Bürgers „Lenore" —

(In einer Berliner Zeitung erläutert eine Baronin D. das heutige Frauenideal! „Wir träumen nicht mehr, wir genießen; unser Held ist der Sportsmann, der Rekorde bricht, selbst der Hochstapler, der sein Fach versteht, usw.")

Die Dame fuhr im Seidenkleid
Empor aus schweren Träumen:
„Braucht Harry denn so lange Zeit
Die Safes auszuräumen?
Denn so verdient er sich sein Geld,
Mein Abgott, mein moderner Held.
Wie lieb' ich seine Späße
Mit Sauerstoffgebläse.

Mein Vater ist Geheimer Rat,
Von Stande und von Namen.
Ich pfeife d'rauf, dem Mann der Tat
Gehört das Herz der Damen.
Ich diene meinem Rinaldin
Zur Liebe und als Hehlerin,
In meinen seidncn Hosen
Sucht niemand die Pretiosen." —

Da außen, horch! Geht's trapp, trapp, trapp,
Als wie von Stiefelzwecken,
Das Türschloß knackt und schnapp und schwapp,
Unmöglich sich verstecken.
Schon schreit der Schutzmann: „Hände hoch!"
Es nützte nichts, wie sie auch log.
Gewisse Ideale
Verwickeln in Skandale.

In Moabit warf sie sich noch
Dem Staatsanwalt zu Füßen:
„Mein Harry wartet. Laßt mich doch
Nicht gar zu lange büßen." —
„Geduld, Geduld, wenn's Herz auch bricht,
Der Schwerverbrecher wartet nicht,
Er hat Sie gar nicht nötig,
Im Zuchthaus lebt man ledig!" stoffel.

 

 

Gabriels Traum in der Aschermittwochnacht in Kladderadatsch — 81.1928

Gabriels Traum in der Aschermittwochnacht

(Ganz frei nach Bürger)

D' Annunzio träumt' in Morpheus' Macht
Von seinem Ruhm, dem frühern.
Da schlug es dröhnend Mitternacht,
Und draußen scholl ein Wiehern.
Dort stand ein Pferd, so schwarz wie Ruß —
Huhu, das war kein Pegasus!
Das sprach in Menschentönen:
„Steig' auf, Freund der Kamönen!"

Hupp, saß er auch im Sattel schon.
Und sausend ward geritten,
Hui, Berg und Tal vorüberflohn,
Ein Landhaus lag inmitten.
„Kennst du Haus-Thode noch. Gesell?
Die Toten, ach vergißt man schnell.
Graut Gabrieln vorm Thode?" —
„Das ist bei mir nicht Mode." —

„Bereue! Jede Schuld sich rächt",
Das Roß schnob's aus den Nüstern,
„Wer weiß, was noch dein Schicksal brächt'?
Sieh, was dort naht im Düstern!" —
Da blickt' er auf und sah, o weh.
Die preuß'sche Garde am Gardasee
Grad' auf sich losmorschieren,
Ihn vors Gericht zu führen.

„Hinweg!", schrie er mit Stöhnen bang
Und gab dem Roß die Sporen,
Der Rapp' stieg hoch, er rannt' und sprang,
Der Wind strich um die Ohren,
Und hurre, hurre, Rappaport,
Ging's fort und immer weiter fort.
Bis grau ein Meer sich dehnte
Und laut die Brandung dröhnte.

„Hier, wo der Schaum die Felsen netzt
Der östlichen Riviera,
Hast du zum Krieg dein Volk gehetzt
In der Verräter Ära!"
Und wieder ging's zurück gen Nord,
Da sah man von dem Völkermord
Viel tausend Schädel grinsen
Aus des Isonzo Binsen.

„Schau' hier dein Werk!", der Rappe grollt,
„Die du hinaus betrogen,
Hier kamen sie, wie du's gewollt,
Zum Kampfe hergezogen.
Doch gab's nicht Sieg, nur Herzeleid,
Denn zum Empfang stand ich bereit,
Traf jeden mit der Hippe
Und schlug ihn zum Gerippe."

„Hoho, so bist du's selbst, Freund Hein?
Vor dir ich nicht erblasse.
Die Dichterfreihcit, sie ist mein.
Auf steig' ich zum Parnasse." —
Da warf der Gaul ihn jählings ab:
„So fahr zur Hölle denn hinab!"
Es sprach der ewige Richter:
„Zum Teufel solch' ein Dichter!" ....
Bumm, schlägt es Eins vom Dome.
Verschwunden die Phantome.
                         reino.

 


 

 

 

Hühnerauge in Nebelspalter 54 (1928)

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Alte Zitate in neuer Fassung von Fritz Kantor in Die Muskete 9. Februar 1928

Sie nähte an ihrer Schürze Saum,
wohl unter schattigen Bäumen.
Da sagte ich: "Du endest kaum!
Wie lange willst du säumen?"
 

 

Communisme intégral

C'est la vie... In : L'Écho de Paris, 12 mars 1928

communismus_1928
      

 

 

 

     Erläuterung

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Lingen, Thekla. "Sechs Bretter und zwei Brettchen" Erzählung aus Petrograd 1917/18 In: Deutsche allgemeine Zeitung : DAZ ; [...] : Ausgabe Groß-Berlin, Dienstag Morgen 18.9.1928

 

 

Edmond und Jules de Goncourt. In: Berliner Tageblatt und Handels-Zeitung, Morgen-Ausgabe 8.4.1928

Nun aber — wer liest die Goncourts selbst? Die peinliche Antwort: niemand! lässt sich nicht vermeiden, wenn man den kleinen Kreis der Zünftigen, der sprachlich und literarhistorisch Interessierten ausnimmt. Selbst Zola, der so viel Robustere, Blutvollere, die Sensation einer noch nicht zu weit entfernten Jugend, ist kaum noch in unseren Buchhandlungen zu finden. Die Toten reiten schnell, und wenn sie erst einmal auf einer jener feierlichen Lexikonseiten angelangt sind, die manchem Lebendigen als Gipfel des Ruhms erscheint, so ist es mit ihrer Wirkung zu Ende.

 

Die Kommunarden von Kanton. In: Die rote Fahne, 29.1.1928

Ein Aufstand in Kanton, die Rache der Sieger: erleichtert kehrt die imperialistische Hetzpresse Europas zu Sport und Börse zurück. Die Galgenfrist ist verlängert, der Tanz auf dem Vulkan kann weitergehen.
  Wie lange noch und der nächste Ausbruch reißt sie alle in die Tiefe, aus der es keine Auferstehung gibt. Die Kommunarden von Kanton gaben den Beweis, daß der revolutionäre Krater nicht erloschen ist.
DIE TOTEN REITEN SCHNELL!

 

 

Und Maxe fuhr ums Morgenrot. In: Gegen den Strom, Breslau 7, Dezember 1929

maxe fuhr

 

 

10 Jahre katholische Dienstmädchenorganisation Klagenfurt. In: Kärntner Zeitung 3.12.1929

Kein Mensch hat ein Recht stolz zu sein, denn wir sind alle in der Erbsünde geboren, deren Folgen uns niederdrücken, so daß wir alle gar sehr der Barmherzigkeit Gottes bedürfen. Und unsere letzte Wohnstätte, ob arm oder reich, werden sechs Bretter und zwei Brettchen sein. Mit dem Stolz muß aber auch der Neid hinaus, denn gar oft verbirgt sich unter der äußeren Pracht inneres Elend, das wissen gerade die Dienstmädchen nur zu gut.

 

 

Heinrich von Kleist bei Friedrich dem Großen. In: Berliner Börsen-Zeitung, Abendausgabe 3.6.1929

Eine Wendung — und da liegt breit und einfach in den Linien das Neue Palais. Das Schattenbild Kaiser Friedrichs erscheint — des Edlen, des Dulders, der in diesen Räumen gelitten und gestorben. Die Toten reiten schnelle. Der Schatten verfliegt, wird aufgesaugt von dem lärmenden Augenblick.

 

 

"Lenore fuhr ums Morgenrot". In: Stuttgarter neues Tagblatt, 14.9.1929

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Beim Bühnen-Türl. In: Die Stunde, 15.12.1929

Man muß ja bei solchen Anlässen nicht ganz genau sein. Das Publikum merkt
es nicht. Aber bei dieser Premiere folgte das erste Jubiläum doch zu rasch und als man einem Kritiker sagte: „Schon die fünfundzwanzigste" ?. Die Premiere war doch erst in der vorigen Woche?“, da meinte er: „Ja, die Toten reiten schnell.“

 

Umsteigen ins Dritte Reich von Hans Seiffert. In: Jugend: Münchner illustrierte
Wochenschrift für Kunst und Leben, Seite 712  35.1930


Herr Mahraun fuhr ums Morgenrot
empor aus düstern Träumen.
Das Staatsparteikind ist nun tot.
Ich darf nicht länger säumen.

Ich Hab aufs falsche Pferd gesetzt,
das Linksgalopp gelaufen.
Doch Gott war stets und ist auch jetzt
nur mit dem stärksten Haufen.

Drum will ich sehn, daß ich den Zug
nach rechts jetzt noch erwische.
Will's Gott, komm ich noch früh genug
zum Hitler-Gabentische.

Vielleicht verzeiht der Adolf mir,
daß ich mal links gesündigt.
Hier stehe ich. Gott helfe mir.
Ich habe prompt gekündigt.
 

 

Leonorens Bräutigam in Zürcher Illustrierte, Band 6 (1930)

Was war Leonorens Bräutigam?
- Ein Schneider.
Denn sie fuhr ums Morgenrot
Empor aus schweren Träumen:
"Bist untreu, Wilhelm, oder tot?
Wie lange willst du säumen?"

 

 

Stresemann in Der wahre Jakob: illustrierte Zeitschrift für Satire, Humor und Unterhaltung — 51.1930

"Ja, ja, die Toten reiten schnell, meine Herren!
Sehen Sie Stresemann an, kaum gelebt, war er schon gestorben!"

 

 

Lenore von Lene Voigt. In: Säk’sche Balladen Band 1 ca. 1930

Lenore sauste ausn Bätt
Un fuhr in ihre Laatschen,
Denn's schiener, als wenn eener tät
Vorm Hause unten graatschen.

        der vollständige Text

 

 

Jockeis Neujahrstraum in Hellweg Märkisches Volksblatt, 31.12.1930

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1931-1940

 

Die Politik der Woche. In: Jeversches Wochenblatt : Friesisches Tageblatt 8.8.1931

Der 9. August ist ein politischer und geschichtlicher Tag erster Ordnung. Da wird die rote Zwingburg Preußen (selbstverständlich mit parlamentarischen Mitteln) von links und rechts berannt und sturmreif gemacht. Die Aussichten dafür sind denkbar günstige. Die Auslandspresse, insbesondere die englische, rechnet anscheinend mit einem sicheren Erfolge des Volksentscheides. Dis Toten reiten schnell. Vor einigen Wochen erlebten wir erst den Zusammenbruch der Erfüllungspolitik und nun erwartet der herrschende Marxismus im Volksentscheid, der über die Landtagsauflösung zu entscheiden hat, seinen Dies ater. 

 

 

Löwenritt. In: Der Führer: das Hauptorgan der NSDAP Gau Baden 16.1.1931

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   Reiters Schwanensang.
   (Ganz frei nach verschiedenen Dichter,)

   Mit Gummiknüppel und Verbot
   Wir reiten schwarz — wir reiten rot —
   Wir reiten ins Verderben.
   Drum hurre, hurre, hopp, hopp, hopp,
   Hothü! zum letzten Staatsgalopp
   Vorm Sterben, vorm Sterben.
   Weh, die Verfassung ist nicht mehr,
   Es klatscht der Apfel dumpf und schwer:
   „Artikel achtundvierzig!"
   Was schiert mich Weib, was schiert mich Kind,
   Wenn Hemden staatsgefährlich sind?!
   Hothüttehol — — —



 

 

 

Der Friedensengel Briands. In: Wittgensteiner Kreisblatt, 20.11.1931

Herr Briand fuhr ums Morgenrot
- Empor aus schweren Träumen:
— Ich doch die Hand zum Frieden bot,
— Ich kann mir das nicht reimen.
— Wozu hab' ich den Völkerbund?
— Durch ihn wird alle Welt gesund.
— Er ist die Friedensmühle,
— Das heißt für Frankreichs Ziele.

Was brüllet der Kanonen Mund
— So laut im Fernen Osten?
— Wozu hab' ich den Völkerbund?
— Soll er in Genf verrosten?
— Ich schicke wieder eine Not':
— Der Friede lebt, der Krieg ist tot!
— Eintracht der Welt herrscht künftig,
— O, Japan, sei vernünftig!

Fest steht der Friede von Versalj,
— Nie er verschwinden könnte.
— O, nein, er ist kein Wechselbalg.
— Er ist das Fundamente!
— Der Borah schimpft, der Grandi lacht,
— Und auch in andern Ländern macht
— Der Revisionsgedanke
— Sich breit: Fort mit der Schranke!

Das Schicksal war ja Frankreich hold,
— Es konnt' die Welt regieren.
— Es hamsterte das viele Gold.
— Ihm konnte nichts passieren.
- Da sieh', ein Schatten an der Wand.
— Vertrau'n auch in Paris verschwand,
— Die Rechnung tat nicht stimmen.
— Man sieht 'nen Funken glimmen.

Der Funken wird zum Weltenbrand,
— Briand, du Wegbereiter!
— Die ganze Welt hat schon erkannt,
— So geht es nicht mehr weiter.
— Die ganze Welt schon protestiert,
— Nur Deutschland sich etwas geniert,
— Die dicke Zipfelmütze
- Ist Briands letzte Stütze.  Till

 

 

Leonore, Parodie auf die Ballade von Gottfried August Bürger von Thesi Christiansen. In: Des Sängers Fluch u.a. Parodien in ehrbaren plattdeutschen Riemels [...] Hamburg, Hans Köhler, o.J. [ca. 1932]. 

Lenore sprüng mit een Gejuch,
de Klock wär halbig söben,
mit beide Beenen ut de Puch,
wo is mien Willi bleben? - -
He hett doch gistern tel'foniert,
he keum Klock fief hier anmaschiert,
nu hett he nich mal schreben?!
Denn Post hev ick nich kreegen.

    der vollständige Text

 

 

les morts vont vite au Maroc (Die Todten reiten schnell) in Journale de Roanne, 31 janvier 1932 (RETRONEWS der BnF)

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            Erläuterung

 

 

Journal amusant, 10 mai 1932

On affirme gratuitement que les morts vont vite. Regardez-les passer, remorqués par des haridelles faméliques, tristes, qui font du 4 kilomètres à l'heure, en forçant l'allure.
          A. MARTEL

 

 

Das Ende der SPD. In: Die rote Fahne, 24.6.1933

Hitler hat die Sozialdemokratische Partei Deutschlands verboten. Dieses Verbot ist nichts anderes, als die amtliche B e s t ä t i g u n g einer geschichtlich schon vor Monaten vollzogenen Tatsache.
   Die Toten reiten schnell! Für die Arbeiterklasse Deutschlands wirkte die SPD. auch dann nicht, als sie noch lebte. Für die Arbeiterschaft der Welt war ihre Agonie schon u n m i t t e l b a r nach der Machtergreifung Hitlers offensichtlich geworden. Sie galt offenkundig als eine Leiche nach ihrer Abstimmung für Hitler am 17. Mai 1933.
   Das Verbot ändert also an der Tatsache ihres ruhmlosen Verscheidens nichts.

 

 

Von Drinnen und Draußen. In: Jeversches Wochenblatt : Friesisches Tageblatt 15.12.1934

Aber,wenn unsere ältere Generation das Wort Schlacht vor sich hinspricht, so sieht man immer noch Reiter-Regimenter zur Attacke reiten. „Und hurre, hurre, hopp, hopp, hopp — ging's fort in sausendem Galopp..." Wie Gottfried August Bürger noch den toten Wilhelm zu seiner Lenore heimkehren läßt... Von solcher Vorstellung heißt's — wenn man an einen Zykunftskrieg denkt — bestimmt Abschied nehmen.
 

 

Reklame mit dem Tod. In: Die Stunde, 1.7.1934

Wahrscheinlich wird man sich der Namen, die da plötzlich zwischen Kranzspenden und Beileidskundgebungen auftauchen, um ihre verblichene Popularität ein wenig aufzufrischen, nicht lange erinnern, die Öffentlichkeit wird über die zweifelhaften Kondolenzbesuche der Liebe und Verehrung rasch hinwegkommen, denn die Toten reiten schnell und nehmen die Bahrträger der Reklame mit in die Vergessenheit.

 

 

Zweig, Arnold. Brief an die deutschen Buchhaendler. In: Pariser Tageblatt : le quotidien de Paris en langue allemande 3.11.1935

Wir sind inzwischen 995 Jahre älter geworden, vielleicht auch 998 — was weiss man? — die Toten reiten schnell, geköpfte Frauen haben noch immer, wenn sie von Familie waren, ihre Köpfe hinter sich hergezogen, und kurz, wenn auch nicht wir, so doch unsere Bücher — aber reden wir von der Gegenwart, Die Bücher des Schriftsteller A. Z. also sollten für einige Jahre eingespeichert werden. Statt dessen wurden sie, sagen wir höflich, geklaut, und auf Erkundigungen kam der Bescheid: man werde sie, soweit sie dazu geeignet seien, in die Bibliotheken der Hitler-Jugend einstellen, zum anderen Teil vernichten.

 

 

Nerlinger, Oskar. Leonore fuhr ums Morgenrot 1935

Leonore fuhr ums Morgenrot  Oskar Nerlinger 1935

 

 

Feuchter Ritt in Kladderadatsch — 90.1937
  [...]
trotz Atemnot und Gliederzwicken
erklimmt er des erbosten Biestes Rücken
und reitet so mit Zittern und mit Zogen
recht als Triton durch Wellengischt und Wogen,
er reitet hurre-hurre, hopp-hopp-hopp,
dahin im grausig spritzenden Galopp,
bis ein Kollege Knights, der Krebse kochte,
das Ungetier mit sicherm Schuß durchlochte.
Der Stör ging unter, wie sich das gehört.
Herr Knight hingegen ist seitdem verstört.

 

 

paradis soviétique in L'Express de Mulhouse, 16 août 1937

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                  Erläuterung

 

 

La Vague, 2 mai 1937

Naegelen à la rescousse...
Ce n'est pas cet homme-là qui a écrit les « Supplicitiés » ?
Ou alors, les morts vont vite.
Leur souvenir tout au moins.

 

 

L'Indépendant du Berry, 13 février 1937

D'une semaine...à l'autre
IL Y a eu trois ans samedi dernier, vingt-deux Français furent fusillés place de la Concorde à Paris, pour avoir crié : « A bas les voleurs ! »
Les morts vont vite.

 

 

Und sie stach doch...! In: Hallische Nachrichten, 1.7.1939


Mit einem gräßlichen Fluch sprang der Getroffene hoch und führte einen kurzen aber ungeheuer ekstatischen Indianertanz auf. Frau Irmgard aber lächelte milde und meinte: "Vielleicht tröstet dich ein Sprichwort, Karlchen. Du weißt doch - es sind die schlech'sten Früchte nicht, an denen die Wespen nagen!"

 

 

 Internationale Literatur 1.7.1939

Dieses „repräsentative" Bildnis könnte von dem ehemaligen Jakobiner David stammen. Das Roß wirkt hier menschlicher und bedeutender als der Reiter. Napoleon selbst wollte vollkommen ruhig auf einem feurigen Pferd dargestellt werden. Regungslos, leichenstarr sitzt er nun da, als hätte der Maler durch diese Leblosigkeit den Spruch illustrieren wollen: Die Toten reiten schnell.. .

 

 

Kurella, Hans. Hans Röder. In: Internationale Literatur 1.6.1939

Herr Oberst von Zedlitz sitzt und lacht.
Schön warm ist sein Zobelkragen.
Laut rattern durch die Nacht
Die graugrünen Panzerwagen.

Von Zedlitz hat bei Teltow ein Gut
Es stammt noch von Albrecht dem Bären. Seine Ahnen ließen manch Tröpfchen Blut
Auf den Feldern von Böhmen und Mähren.

Jetzt fährt er nach Prag. Auf der Straße Eis.
Und eisige Winde wehen.
Vorm dunklen Himmel stumm und weiß
Beschneite Berge stehen.

Gefreiter Röder sitzt und friert.
Die Panzerplatten drücken.
Manch Wald, manch Feld, manch Hofgeviert
Fliegt hin vor seinen Blicken.

Hans Röder ist in Naumburg schlicht
Und recht zur Welt gekommen.
Manch altes Lied, manch schönes Gedicht
Hat einst er als Knabe vernommen.

Jetzt fährt er ins Tschechenland hinein.
Geschehen ist geschehen!
Am Straßenrand, am Feldesrain
Viel stumme Gestalten stehen.

Der Morgen graut. Kalt pfeift der Wind.
Er dringt in alle Ecken.
"Gefreiter Röder! Noch geschwind
Paar gute warme Decken!"

"Wie weit bis Prag?" - "Zwei Stunden wohl."
Am Wegesrand steht verfroren
Ein Kind, die Wangen blaß und hohl:
"Was habt ihr hier verloren?"

Zwei Stunden noch. Was will das Kind?
Was wollen all die Leute
So mürrisch-stumm in Schnee und Wind -
Ist denn nicht Festtag heute?

Ja, Festtag ist heut, Siegestag -
Warum wehn keine Fahnen?
Von Zedlitz murmelt: "Tschechenpack!"
Und denkt an seinen Ahnen.

"Nicht schlafen, Leute! Seid auf der Hut!
Hier gibt es was zu rächen!
Denkt nur an die Hussitenbrut,
Das waren auch solche Tschechen!"

Gefreiter Röder nickt und döst.
Er träumt im fremden Lande
Vom Kirschenfest, vom Kinderfest
In Naumburg am Saalestrand.

Prokop, der Wilde, steht und spricht:
"Stark sind die reichen Schinder
Nur weil wir Armen einig nicht!" -
Und Kirschen bekommen die Kinder.

Er träumt auch: Er sieht sein Töchterlein knien
An der Straße unten im Tale,
Und feindliche Panzerwagen ziehn
Nach Naumburg an der Saale.

"Kolonne Halt!" Hans Röder rafft
Sich auf aus schweren Träumen,
"Gleich sind wir in Prag! Wir habens geschafft!
Jetzt vorwärts ohne Säumen!

Der weiße Berg! - Da, seht ihr ihn?
Hier siegten unsre Ahnen.
Hier mußte der Winterkönig fliehen
Vor unsern glorreichen Fahnen!"

Der Weiße Berg? Die Prager Schlacht?
Hans Röder klingts im Ohre.
Hier wankte König Friedrichs Macht -
Hans Röder denkt an Lenore.

"Sie fielen..." Doch einer war wieder zur Stell!
"Sie starben - Gott befohlen!"
Gewiß: doch die Toten reiten schnell!
Einst kommen sie, uns zu holen!

"Gefreiter Röder, was stehn Sie denn da
Und blicken so verdrossen?"
"Die Toten, Herr Oberst..." - "Die Toten? Ha, ha!
Es ward ja kein Schuß geschossen!"

 

 

 

les morts vont vite (Die Todten reiten schnell) in Gringoire, 7 mars 1940 (RETRONEWS der BnF)

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                  Erläuterung
 

 

"Ein Tag im Jahr ist den Toten frei" In: Durlacher Tageblatt : Heimatblatt für die Stadt und den früheren Amtsberzirk Durlach; Pfinztäler Bote für Grötzingen, Berghausen, Söllingen, Wöschbach u. Kleinsteinbach, Samstag / Sonntag 23.11.1940

Auf dem Boden des Hauses liegt ein Stapel bester Bretter aus Fichten- oder auch Eichenholz bereit. Er ist groß genug, um "sechs Bretter und zwei Brettchen" für alle Angehörigen der Familie zu liefern.

 

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ab 1941

 

La France nouvelle, 1 septembre 1944

Sans blague ?
Le « Circulo de Armas » a aussi fêté la libération de Paris.
  Parmi les invités. L'Ambassadeur de Franco. Franco, vous savez, qui naguère affichait sa conviction que l'Axe gagnerait la guerre ; Franco qui.-..
  Mais vous savez tout cela aussi bien que nous.
  Les morts vont vite...

 

 

Fünf Jahre. In: Die Zeitung : Londoner deutsches Wochenblatt 1.9.1944

Goebbels pochte auf die „ Faustpfänder ", die Deutschland zur Erzwingung des Sieges festhalte. Damals schien Deutschland noch ganz Frankreich in einem nicht zu lösenden Griff zu halten. Der Balkan lag zu Hitlers Füssen. Heute sind auch die Faustpfänder aus der gepanzerten Faust geschlagen oder im Entgleiten. Ueberallher rücken die feindlichen Heere den deutschen Grenzen entgegen. Die deutschen Soldaten kommen immer schneller „heim ins Reich", wenn auch Millionen von ihnen nicht mehr über die Grenzen des tausendjährigen Reiches mitmarschieren können. Aber die Toten warnen die Lebenden. Die Toten reiten schnell.

 

 

Aufbau 28.4.1944

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Kisch, Egon Erwin. Lenore. In: Stimmen aus Böhmen (1944), hier Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1975

Hier unten liegen die, die hier oben getötet worden sind. In der fernen Heimat warteten weinend und wehklagend ihre Mädchen, zerrauften sich ihr Rabenhaar und warfen sich zur Erde, mit wütiger Gebärde. So, an Gott verzweifelnd und Gott verleugnend, harrte auch Lenore, das schönste Bürgerkind, ihres Geliebten. Der war mit König Friedrichs Macht gezogen in die Prager Schlacht und hatte seither nichts von sich hören lassen; keine, keine Antwort gegeben auf die Frage, die Lenore ihm in ihren schweren Träumen allnächtlich stellte: "Bist untreu, Wilhelm, oder tot?"

    der vollständige Text

 

 

"Lager der Verzweiflung" In: Aufbau : an American weekly published in New York 4.4.1947

K. K. Die Toten reiten schnell. Und bald wird es auch noch heissen, die Ermordeten sind schuldig. Man liest in der Presse etwas über ein "Lager der Verzweiflung". Auschwitz? Theresienstadt? Ravensbrück? Oder ein Lager der "D.P.", in dem Tausende sehnsuchtsvoll die Stunde erwarten, in der sie nach jahrelangem "Aufenthalt" endlich ein Visum erhalten? "Lager der Verzweiflung", was ist das? Ein Lager bei Darmstadt, in dem Nazis, führende Nazis, Mitschuldige, Verbrecher, Helfershelfer zu warten haben, bis ihr Fall erledigt wird. Und da es viele Nazis gab und viele Verbrechen begangen sind, haben die Gerichte Arbeit.

 

 

"Es interessiert nicht mehr..." In: Aufbau : an American weekly published in New York 26.3.1948

k. k. "Man will es nicht mehr wissen", hört man zuweilen, wenn die Rede auf das schwächer werdende Interesse für die entsetzlichen Erfahrungen der letzten 15 Jahre kommt. Die Toten reiten schnell, und die Lebenden behalten immer recht, könnte jemand zur Begründung sagen, wenn man feststellt, dass Vorträge über Naziverbrechen und ihre Sühne nur von wenigen noch besucht werden, dass Bücher über diese Themen ungelesen bleiben, neue Enthüllungen unbemerkt.

 

 

Lenore hat es satt von Winfried Freund. In: Rübbelken, Nörgeleien eine westfälischen Querulanten. 1985 S.55

Lenore fuhr nach Liebe toll
Empor aus schwülen Träumen.
»Bist untreu Wilhelm? Oder voll?
Tust deine Pflicht versäumen.«
Er war mit seinem Säufertrupp
Gezogen in den Kegclclub
Und hat nicht ferngesprochen,
Wann er käm' heimgekrochen.

Sie haderte mit ihrem Los,
Vor allem mit der Ehe.
»Der Mann nimmt seine Frau doch bloß,
Damit's ihm wohlergehe.
Die Frau an sich ist ihm egal,
Ihr Liebeswunsch ihm eine Qual.
Soll sie zu Hause bleiben,
Er wird es draußen treiben.«

Doch drinnen horch! Klingklingeling!
Vom Telefon herüber.
Lenore aus dem Bette flink
Schwang sich und hofft' schon wieder.
Doch Wilhelm war es nicht, der Schrat,
Die Freundin war am Apparat.
Sie hat den Mann gefeuert,
Hält Ehe für bescheuert.

»Laß sausen diesen miesen Typ,
Laß sausen, Kind, laß sausen!
Ist dir dein eignes Leben lieb,
Laß uns zusammen hausen.
Sieh hin, sieh her: Das Leben lacht!
Flott mit den Paschas Schluß gemacht!
Wir woll'n sie übertrumpfen.
Laß sie getrost versumpfen.«

Lenore wurde es so leicht.
Es leuchteten die Sterne.
Bald hat das Auto sie erreicht
Und fuhr ab in die Ferne.
Sie fuhr auf Nimmerwiedersehn.
Ihr Leben war auf einmal schön.
Des Mannes war sie ledig,
Glück lächelte ihr gnädig.

 

 

 

 

 


Leonore von Peter Fuchs. Peter Fuchs ist ein sonderbarer, zumindest atypischer Berlin-Kreuzberger Rentner,der dort häufig im Café Logo sitzt, in Rekordzeit ein Kreuzworträtsel löst und ein Gedicht schreibt.

Gekürzte Ballade von
Gottfried August Bürger
(1747-1794)

Wilhelm hat gewaltig einen in der Schüssel
und verschusselt seinen Wohnungsschlüssel

"Holla, holla! Tu auf, mein Kind!
Schläfst, Liebchen, oder wachst Du?
Wie bist noch gegen mich gesinnt?
Und weinest oder lachst du?"

"Ach, Wilhelm, Du? … So spät bei Nacht? …
Geweinet hab und gewacht;
Ach, großes Leid erlitten!
Wo kommst du hergeritten?"-

Für diese Nacht bucht Wilhelm schnell
ein Einzelzimmer im Hotel.
 

 

nach oben     8 / 06.12.2021

 

 

    "les morts vont vite" - die Todten reiten schnell

Sucht man im digitalen Zeitschriftenportal RETRONEWS der BnF nach der Redewendung “les morts vont vite”, findet man mehr als 4 500 Belegstellen, als Überschrift oder im Text; manchmal wird der Bezug zur Ballade direkt erwähnt. Es gibt zwar die Lenore-Übersetzungen (einige sind allerdings freie Bearbeitung) von S. AD. de la Madelaine (1811), Pauline de Brade (1814), Ferdinand Flocon (1827), Gerard de Nerval (1830), Paul Lehr (1834), M. E. de Labédollierre (1841), der Brüder Cogniard (1843), Eugène Cassin (1846), F. Bonnet (1846), Gerard de Nerval (1848), Alphonse Darnault (1849) und Edouard Pesch (1891). Trotzdem überrascht die große Zahl an Fundstellen, wobei vorerst offen bleibt, ob damit wirklich immer der Bezug zu Bürgers Werk besteht.

   G. A. Sala, dem wir die Holzschnitte zu Albert Smith's Lenore-Übersetzung von 1848 (A Bowl of Punch ) verdanken, hält das 1880 in The Illustrated London News für unwahrscheinlich und meint, dass die Redewendung "was possibly popular in France long before Bürger's ghastly ballad was written".
 

  Das Grand dictionnaire universel du XIXe siècle : français, historique, géographique, mythologique, bibliographique.... T. 11 MEMO-O / par M. Pierre Larousse von 1874 führt dazu aus: [p.590] - ” Allus. littér. Les morts vont vite .Mots saisissants et tristement signiticatifs qui reviennent souvent sur les lévres du funébre amant de Lénore, dans la ballade de ce nom. Ces mots s'emploient souvent pour caractériser les ravages que la mort semble parfois se plaire á exercer soup sur coup dans les rangs des hommes distingués, dans quelque ordre d'idée que ce soit.”
   (Automatisch übersetzt: Auffällige und traurig bedeutungsvolle Worte, die in der Ballade dieses Namens oft auf den Lippen
   von Lenores Bestattungsliebhaber erscheinen. Diese Worte werden oft verwendet, um das Chaos zu charakterisieren, dass
   der Tod manchmal Freude daran zu haben scheint, nacheinander in den Reihen angesehener Männer zu üben, in welcher
   Weise auch immer.)

Der Excelsior 2 juin 1911 erklärt das Phämomen so : “Gottfried August Bürger était un admirable poète allemand, contemporain de Gœthe, dont la gloire éclipsa la sienne. C'est à lui que nous devons l'expression : »Les morts vont vite. » Bürger est, en effet, l'auteur d'un poème, Lenore, où une jeune se lamente de ne pas retrouver son fiancé parmi ceux qui reviennent de la guerre et qui, endormie, s'entend appeler par le mort pour fuir avec lui « plus vite que les étoiles », dans la nuit. Une strophe se termine par ce vers :
   Wir und die Todten reiten schnell.
   Nous et les morts chevauchons vite.
L'usage populaire a déformé un peu le sens. On a dit : « Les morts vont vite ! »”

L'Homme libre 2 juillet 1936 führt in einem Beitrag mit dem Titel Les morts vont lentement aus :”La fameuse ballade de Léonore, de Burger, que répète toute l'Allemagne, et dont les Français, qui ont le goût des maximes, ont extrait une phrase, une seule : les morts vont vite, constitue un affreux mensonge, une sorte de dépêche d'Ems littéraire.
  Les morts ne vont pas vite du tout. Ils vont à pas menus, surtout quand ils cheminent entre deux assemblées parlamentaires.”
 

 

 

Begriffe und weiterführende Literatur zum Thema

Hier sollen in aller Kürze einige Begriffe erläutert und Hinweise auf weiterführende Literatur gegeben werden. Zuerst ein Blick in Lexika, die Bürgers Zeit nahe sind.

 „Die Parodie, (a.d. Griech.) ein Gedicht; im weiten Sinne, überhaupt ein Werk des Geschmacks, das man nach einem andern bekannten Gedicht oder ähnlichen Werke macht, welches letztere man durch zweckmäßige Veränderungen auf einen andern Gegenstand anwendet, oder gleichsam in einen andern Ton setzt.“

 „Travestie nennt man eine Art des scherzhaften Gedichts, welcher immer ein ernstes Gedicht zum Grunde liegt, dessen Hauptgedanken, Schilderungen und Charaktere in der Travestie auf lächerliche Weise umgestaltet werden. Sie gelingt am besten, wenn in der ihr zum Grunde liegenden Dichtung viel Pomphaftes und falsches Pathos enthalten sind. Unter den neuern deutschen Travestien von größerem Umfange ist immer noch die travestierte „Aeneis“ von Blumauer die bemerkenswertheste.“ 

Farce (fr., spr. Fars), 1) von gehacktem Fleische mit Eiern, Semmel, Gewürz etc. bereitete Speisen, def. wenn solche in Geflügel, in Fischen, in einem Krautkopf etc. als Gefülltes benutzt od. mit Blätterteig umzogen werden; 2) (sth.), bei den Franzosen u. Italienern kleine dramatische Zwischenspiele (Intermezzi od. Interludien), welche sich auf dem Gebiete der niederen Komik bewegen. Der Name rührt sehr wahrscheinlich von Farce 1) her, indem die F. dazu dient, eine Pause in der Hauptvorstellung auszufüllen, u. mit pikanten Anspielungen u. Localwitzen gewürzt zu sein pflegt.”

Aktuelle und nachvollziehbare Definitionen in neuerer Zeit werden von Wünsch gegeben.

“Eine Parodie ist ein Text, der einen anderen Text dergestellt verzerrend imitiert, daß eine gegen diese Vorlage gerichtete komische Wirkung entsteht.”
 Neben der Parodie gibt es verwandte Phänomene, die sich allerdings mit dem Begriff der Parodie auch überschneiden können.

“Eine Satire ist ein Text, der mit den Mitteln einer oft recht ausgeprägt aggresiven Komik Mißstände jeglicher Art aufdeckt und verspottet. Im wesentlichen handelt es sich demnach um eine Verbindung von Komik und Kritik, wobei die Komisierung des Gegners, ähnlich wie in der Parodie, als Waffe und Wirkungsmittel im Dienste der kritischen Intention eingesetzt wird. Komik und Kritik sind also nicht unabhängig voneinander, sondern die Komik richtet sich gegen den kritisierten Gegenstand mit dem Ziel, ihn zu verspotten und der Lächerlichkeit preiszugebenm um ihn (sozial) zu vernichten oder zu tadeln.”

“Der Terminus ´Kontrafaktur ´bezeichnet in Literatur- und Musikwissenschaft Gedichte oder Lieder, die die metrisch-strophische Struktur (Metrum, Vers- und Strophenbau) einer Vorlage übernehmen, aber deren Inhalt (Text) mehr oder weniger tiefgreifend ändern. Es handelt sich also um eine Um- oder Neutextierung (Umdichtung) eines Gedichtes bzw. Liedes, wobei die Imitation der metrisch-strophischen Grundstruktur essentiell ist, während nicht unbedingt die exakte Strophenzahl übernommen werden muß ...”

“Eine Travestie ist ein Text, der einen anderen Text unter Beibehaltung der wesentlichen inhaltlichen Merkmale, aber durch Einkleidung in eine völlig neue, unpassende Sprachform dergestalt verzerrend imitiert, daß eine gegen die Vorlage gerichtete komische Wirkung entsteht. [...,] Die Travestie ist eine Unterart der Parodie ...”

“Das heroikomische Epos oder komische Heldenepos ist ein Typus der Parodie, dessen spezifisches Verfahren darin besteht, kleine und unbedeutende, triviale Ereignisse im hohen Stil des Heldenepos, wie z.B. der Ilias, darzustellen (inhaltliche Substitution bei Wahrung der hohen Stillage). Die komische Wirkung entsteht durch die Diskrepanz zwischen Aufwand und Inhalt.”

“Das Pastiche ist ein Verfahren der Stilnachbildung, das “la maniére, le style” eines Autors, einer Epoche, Schule oder Gattung mit ernsthafter (Plagiat, Stilübung u.ä.) oder parodistischer Absicht imitiert.”

“Ein Cento ist ein aus unveränderten Zitaten eines oder mehrerer Dichter zusammengesetzter Text. [...] Die komische Verzerrung entsteht beim parodistischen Cento durch die Art der Montage, die nicht im Sinne des Originals ist und mehr oder weniger starke Disharmonien erzeugt.”


Am Ende dieses Kapitels wird Literatur zum Thema zitiert, teils belletristischer, teils wissenschaftlicher Natur. Von den vielen Fachbegriffen und sehr ins Detail gehenden Diskussionen sollte man sich nicht abschrecken lassen - man kann sie bei Bedarf übergehen. Es sind aber so viele schöne Beispiele , die auch kommentiert und eingeordnet werden, in den Werken aufgeführt, dass sich die Lektüre auch für den Laien lohnt. Nur ein kleines Beispiel: was passiert, wenn die Parodie vor dem Original da ist - zumindest für die Zuschauer, die erstmals Wagners Tannhäuser sehen, vorher jedoch bereits die diesbezügliche Parodie kennengelernt hatten.
.
Conversations-Lexikon oder kurzgefasstes Handwörterbuch (1809-1811), S. 3699 (www.digitale-bibliothek.de/band131.htm)

Travestie. Bilder-Conversations-Lexikon, S. 15230 (www.digitale-bibliothek.de/band146.htm)

Pierer's Universal-Lexikon, S. 74520 (www.digitale-bibliothek.de/band115.htm)

Frank Wünsch, Die Parodie Zu Definition und Typologie Hamburg Kovac 1999

Bürgers Gedichte in zwei Teilen, Zweiter Teil , Hrg. Consentius,Ernst, Berlin 1909, S.92.

Prinz Seidenwurm, Satiren und Farcen des Sturm und Drang, Rütten & Löning Berlin 1968 Hrg. Klaus Hammer

Die respektlose Muse Literarische Parodieen aus fünf Jahrhunderten, Rütten & Loening Berlin 1968

Aloys Blumauer. gesammelte Schriften Gesammt-Ausgabe, Stuttgart 1877 S.381-383    

Odor Verweyen. Günther Witting Die Parodie in der neueren deutschen Literatur Wiss.Buchgesellschaft Darmstadt 1979     

Eduard Grisebach. Die deutsche Literatur 1770-1870 Wien Verlag von L.Rosner 1876 Kapitel “Die Parodie in Oesterreich” S.175-213